Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
Sache nichts hören, aber dann hat er sich bereit erklärt, mir zu helfen. Er hat mich der Lady vorgestellt und sie überredet, mir Arbeit zu geben. So wurde ich Gärtner in ihrem Palast.«
Vivana dachte lange über seine Worte nach. »Was erhoffst du dir davon?«, fragte sie schließlich. »Ich meine, was du tust, ist gefährlich. Es ist sogar reiner Wahnsinn. Ein Fehler, und es ergeht dir wie deinem Vater.«
»Das ist mir klar«, sagte er. »Aber ich habe keine Wahl. Ich muss erfahren, was so wichtig an diesem Buch ist, dass er bereit war, dafür zu sterben.«
»Livia sagt, es enthält alte Zaubersprüche und Rituale.«
Liam hatte beinahe vergessen, dass Vivana mit ihrer Tante über das Buch gesprochen hatte. Aufregung erfasste ihn. »Was weiß sie noch?«
»Sie meint, es sei so selten, dass manche glaubten, es würde gar nicht existieren.«
»Das ist alles?«, fragte er enttäuscht.
»Leider.«
Liam fluchte leise. Er hatte schon gehofft, mit der Hilfe der Manusch mehr über das Buch herauszufinden.
Vivana kaute wieder auf ihrer Unterlippe. »Was würdest du davon halten, wenn ich dir helfe?«, fragte sie unvermittelt.
»Wobei? Das Buch zu finden?«
»Ja.«
»Eben hast du noch gesagt, dass es zu gefährlich ist.«
»Für dich allein. Aber nicht für uns beide.«
»Wie meinst du das?«
Ihre Augen waren schwarz in der Dunkelheit, als sie ihn anblickte. »Ich hätte da eine Idee …«
28
Jackons Rache
J ackon wurde von Nacht zu Nacht besser. Indem er sich beim Eintritt in sein Seelenhaus bewusst machte, dass er nur träumte, besaßen die verwirrenden Bilderfluten, die ihn dort erwarteten, kaum noch Macht über ihn. Er fokussierte seine Gedanken, sodass er mühelos die Tür fand und sein Seelenhaus verlassen konnte. Auch das Springen fiel ihm immer leichter.
Seine Kräfte wuchsen, und er genoss es.
In der vergangenen Nacht hatte er Asher einen Besuch abgestattet. Dessen Seelenhaus glich einem Palast aus Unrat und Müll, protzig und abstoßend zugleich. Jackon hatte Asher in einem Saal aufgespürt, wo dieser sich großspurigen Träumen von Reichtum und Macht hingab. Indem er hier und da eine Kleinigkeit veränderte, hatte er bewirkt, dass sich der Lumpensammler plötzlich in einem schrecklichen Albtraum wiederfand. Seine Macht war verschwunden, sein Reichtum ebenfalls, und er hatte sich so schwach und hilflos gefühlt wie die Schlammtaucher und Bettler, die er tagtäglich ausbeutete. Als Jackon sich ihm zu erkennen gab, hatte er gewimmert wie Darren und ihm alles versprochen, wenn er nur aufhörte, seine Träume heimzusuchen. »Wirklich alles?«, hatte Jackon gefragt, woraufhin Asher verzweifelt nickte. Also hatte Jackon ihn aufgefordert, die Schlammtaucher von nun an gut zu behandeln und für ihre Funde anständig zu bezahlen. Für den Fall, dass
Asher den Traum vergaß oder sich nicht an die Abmachung hielt, hatte er angekündigt, wiederzukommen und dem Lumpensammler noch schrecklichere Albträume zu bescheren.
Außer Darren und Asher gab es noch viele andere Leute, die ihn gedemütigt und schikaniert und ihm das Leben schwer gemacht hatten. Er würde sie alle heimsuchen.
Heute Nacht kam ein Schlammtaucher namens Han an die Reihe. Han war es gewesen, der damals durchgesetzt hatte, dass Jackon aus den Behausungen der Schlammtaucher am Flussufer verstoßen wurde, als immer mehr Gerüchte um seine unheimlichen Kräfte die Runde machten. Han hatte ihn damit zu einem elenden und einsamen Leben in den tiefer gelegenen Kanälen verurteilt, obwohl er genau wusste, wie gefährlich es dort war.
Aber das würde er bald bereuen.
Nachdem Jackon sein Seelenhaus verlassen hatte, konzentrierte er sich und versuchte, sich Hans Gesicht vorzustellen, seine Stimme, sein Wesen, alles, was den Schlammtaucher ausmachte. Es fiel ihm wesentlich schwerer als bei Darren und Asher, denn es war mehr als ein Jahr her, dass er Han das letzte Mal gesehen hatte. Kurz darauf sprang er.
Er kam vor einer schäbigen Hütte auf. Nachdem er die Benommenheit abgeschüttelt hatte, warf er einen Blick durch das einzige Fenster. Träume huschten und waberten durch das winzige Seelenhaus, allerdings gehörten sie nicht Han, sondern einem anderen Schlammtaucher, der am Flussufer wohnte.
Jackon wurde klar, dass er sich nicht genug konzentriert hatte. Er gab sich mehr Mühe als beim ersten Mal und malte sich Han in seinen zerlumpten Kleidern in allen Einzelheiten aus.
Er landete in einer anderen Gasse. Zwei Sprünge so kurz
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