Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
mulmiges Gefühl stieg in ihm auf, aber Jackon war fast fertig, und er wollte ihn nicht unterbrechen.
»So«, meinte der Rothaarige. »Ich glaube, der Stumpf ist jetzt locker. Hilf mir mal.« Er warf die Axt weg und trieb die Schaufel unter die Wurzeln, den Schaft als Hebel benutzend. Gleichzeitig stellte sich Liam breitbeinig auf den Rand der kleinen Grube, packte die Reste des Strunks von oben und zog.
Der Baumstumpf bewegte sich etwas, saß aber immer noch fest. Jackon trat dagegen, während er mit der Schaufel hebelte.
Ein Knirschen erklang.
Liam ließ den Stumpf los und keuchte: »Hör sofort auf!«
»Nein, wir haben es gleich. Nur noch ein bisschen …«
Der Rothaarige trat weiter. Es knirschte wieder - und plötzlich sackte der Stumpf weg, verschwand in einer klaffenden Öffnung. Jackon blieb der Triumphschrei im Hals stecken, als er das Gleichgewicht verlor. »Liam!«, ächzte er und ruderte mit den Armen. Liam bekam das Hemd seines Gefährten zu fassen und spürte gleichzeitig, dass das Erdreich, auf dem er kniete, ins Rutschen geriet. Er konnte nicht verhindern, dass Jackon von der Öffnung verschluckt wurde.
Im nächsten Moment gab der Boden unter ihm nach.
Es war kein tiefer Sturz. Dennoch keuchte Liam vor Schmerz, als er auf den Füßen landete und hinfiel. Instinktiv rollte er sich zur Seite, denn es regnete Steine und Sand. Schützend vergrub er seinen Kopf in den Armen und rechnete jeden Augenblick damit, von einem mühlradgroßen Mauerstück getroffen zu werden. Doch nichts dergleichen geschah. Kurz darauf verklang das Grollen von bröckelndem Stein.
Vorsichtig hob er den Kopf. »Jackon?«, rief er leise in die Dunkelheit.
Keine Antwort.
Liam rappelte sich auf. Sand rieselte von seinen Kleidern. Außer einigen Kratzern und Prellungen schien er sich keine Verletzungen zugezogen zu haben. Vor ihm lag ein Haufen aus Steinen und Erde, aus dem der Baumstumpf ragte. Darüber, in einer Höhe von vier Schritt, klaffte ein unförmiges Loch, durch das ein Ausschnitt des Himmels zu sehen war.
»Jackon?«, rief er noch einmal. »Bist du in Ordnung?«
Wieder keine Antwort.
Panik stieg in ihm auf. War Jackon verletzt? Oder, schlimmer noch, verschüttet worden?
Plötzlich hörte er ein Stöhnen, und auf der anderen Seite des Schutthaufens regte sich ein Schemen. Erleichtert eilte Liam hin und half Jackon aufzustehen.
»Geht es dir gut?«
Der Rothaarige war noch sichtlich benommen. »Ich glaube schon«, murmelte er, rieb sich Sand aus dem Gesicht und blinzelte. »Was ist eigentlich passiert?«
Liam blickte sich um. Was er zunächst für ein Loch oder einen alten Brunnen gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein größerer Raum. Er konnte steinerne Rippenbögen erkennen, die in der Dunkelheit verschwanden. Offenbar hatten sie durch ihre unvorsichtige Arbeit an der Baumwurzel ein Loch in die Gewölbedecke gebrochen. »Sieht so aus, als wären wir in eine Art Keller gefallen.«
»Keller wovon?«
»Dem Gebäude, das früher hier stand.«
Jackons Schritte knirschten, als er über den schuttbedeckten Boden ging. »Sieh mal. Hier sind Kisten. Und Schränke.«
Liam folgte dem Rothaarigen. Der Raum hatte die Form einer halben Tonne: Die Decke wölbte sich an zwei Seiten zum Boden, während die anderen beiden Wände senkrecht waren. Das Mauerwerk bestand aus rußfarbenen, eng verfugten Steinen und roch alt und feucht. Die Möbelstücke, die Jackon gefunden hatte, befanden sich in einem schlechten Zustand. Das Holz war gesplittert, wurmzerfressen und aufgequollen, die Scharniere und Blechbeschläge waren verrostet. Zwei mannshohe Schränke flankierten eine morsche Tür. An der Wand darüber entdeckte Liam ein kleines Relief. Es stellte einen Basilisken dar.
Er runzelte die Stirn. Erst die Statue und nun ein Steinmetzzeichen - was hatte das zu bedeuten?
Eine Warnung?
Vor einem Basilisken?
Unsinn , dachte er. Es gab schon lange keine Basilisken mehr. Die letzten waren vor Jahrzehnten verschwunden, wie die meisten Schattenwesen.
Aber was, wenn einer überlebt hatte, versteckt in den Tiefen
dieses vergessenen Kellers? Der, aufgeweckt von dem Erdrutsch, auf dem Weg zu ihnen war, bereit, sie mit seinem Giftatem zu töten?
Liam schüttelte diesen törichten Gedanken ab. An einem Ort wie diesem in Schauergeschichten zu schwelgen war nicht gerade hilfreich.
Er schrak zusammen, als ein Knarren ertönte. »Was machst du da?«
»Ich will wissen, was da drin ist«, antwortete Jackon, während er einen der
Weitere Kostenlose Bücher