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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Für die Altstadt mit ihren jahrhundertealten Anwesen galt das vermutlich in gleichem Maß.
    Er schöpfte neuen Mut. Vielleicht waren sie doch noch nicht verloren.
    »Also gut«, sagte er. »Nach dir, wenn ich bitten darf.«
    Nacheinander schlüpften sie durch das Loch und folgten dem Gang. Jackon behielt recht mit seiner Vermutung: Als der
Tunnel abknickte, trafen sie auf einen Raum, in dem sich Abwässer sammelten. Jenseits eines rostigen Geländers gähnte ein Schacht, in den aus diversen Rohren stinkende Brühe stürzte und rauschend in der schwarzen Tiefe verschwand. Über ihren Köpfen verliefen dicke Leitungen aus Stein. Sie gehörten zur Frischwasserversorgung der Stadt, erklärte Jackon, und verbanden die Wassertürme mit den einzelnen Brunnen und Häuserblocks.
    Als sie den Sammler durchquerten, bemerkte Liam, dass der Rothaarige sorgenvoll die Lippen zusammenpresste. »Was ist?«
    »Die Fackeln. Sie sind gefährlich.«
    »Wieso?«
    »Manchmal bilden sich in den Kanälen brennbare Gase. Wenn man dann offenes Licht bei sich trägt …«
    Liam schauderte, als er sich vorstellte, was Jackon nicht aussprach. »Kann man sich irgendwie davor schützen?«
    »Wenn du etwas riechst, das dir verdächtig vorkommt, lösch sofort die Fackel.«
    »Wie soll das gehen, Jackon? Hier stinkt es so sehr, dass man kaum Luft bekommt.«
    »Versuch trotzdem, darauf zu achten. Es ist ein fauliger Geruch. Ein bisschen wie verdorbene Eier. Aber vielleicht haben wir Glück. Das Gas ist meistens nur in den tieferen Gängen.«
    Wieder fiel Liam auf, wie sehr sich sein Gefährte in der letzten Stunde verändert hatte. Bei der Arbeit im Garten und während der Mahlzeiten mit den anderen Bediensteten war Jackon stets schüchtern und versuchte, nicht aufzufallen. Hier unten dagegen wirkte er sicher und selbstbewusst, als könnten ihm die Dunkelheit und die Gefahren dieser Tunnel nichts anhaben.
    Sie stiegen eine Treppe hinab, deren Eisenstufen bei jedem Schritt unheilvoll knarrten und quietschten. Danach wurde der
Gang noch niedriger. Außerdem mussten sie hintereinander gehen, denn mehr als die Hälfte des Tunnels wurde von einem Kanal eingenommen, durch den ein stinkendes Rinnsal floss. Jackon übernahm die Führung.
    »Du scheinst dich hier drin auszukennen«, meinte Liam.
    Der Rothaarige warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Wie kommst du darauf?«
    »Nun ja … Die Sache mit dem Gas und die ganzen anderen Dinge, über die du Bescheid weißt. Das ist nicht gerade Allgemeinbildung, oder?«
    Jackon schwieg eine Weile. Schließlich sagte er: »Mein Vater hat in den Kanälen gearbeitet. Er hat mir das eine oder andere beigebracht.«
    Liam gab sich mit dieser Antwort zufrieden, obwohl er spürte, dass der Rothaarige ihm etwas verschwieg. Jackon belästigte ihn nicht mit Fragen, also würde er es umgekehrt genauso halten.
    Der Gang endete an einer gusseisernen Luke, deren Riegel sich mit etwas Mühe öffnen ließ. Dahinter kreuzte ein weiterer Kanal ihren Weg, in dem klares Wasser mit beachtlicher Geschwindigkeit dahinströmte. Offenbar waren sie auf einen unterirdischen Nebenarm des Rodis gestoßen.
    Ein rostiger Steg überspannte den vier Schritt breiten Wasserlauf. Er besaß nur auf einer Seite einen Handlauf, der obendrein verbogen und unbrauchbar war.
    Voller Unbehagen betrachtete Liam die wenig vertrauenerweckende Brücke. Zwar konnte er schwimmen, wenn es sein musste, aber nicht besonders gut.
    »Wir müssen da rüber«, sagte Jackon.
    »Gibt es keinen anderen Weg?«
    »Ich habe keinen gesehen. Es sei denn, du willst durch die Abwasserrohre kriechen. Warte. Ich gehe zuerst.«
    Jackon begann, über den Steg zu balancieren, Schritt für
Schritt, so vorsichtig wie möglich. Als er die Mitte erreichte, neigte sich die Blechkonstruktion plötzlich quietschend zur Seite. Liam sog scharf den Atem ein und sah seinen Gefährten schon im Wasser verschwinden, doch Jackon hatte sich blitzschnell am Handlauf festgehalten und sein Gleichgewicht zurückgewonnen. Wohlbehalten kam er auf der anderen Seite an.
    »Jetzt du.«
    Liam schluckte trocken. Dann setzte er seinen Fuß auf die Brücke.
    Rostpartikel rieselten ins Wasser, wenn er nur minimal sein Gewicht verlagerte, doch wie durch ein Wunder trug ihn der Steg. Um nicht denselben Fehler wie Jackon zu begehen, vermied er es, auf den wackeligen Mittelteil zu treten, sondern machte einen großen Schritt. Diesmal schwankte die Konstruktion nur ein wenig. Liam wartete, bis sie zu quietschen aufgehört

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