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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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führte. Mit der freien Hand öffnete sie ihm den Mund, wobei sie zweimal gebissen wurde, und goss die
Suppe hinein. Er spie ihr einen Schwall der lauwarmen Flüssigkeit entgegen, doch schließlich musste er schlucken.
    »Das werdet ihr bereuen«, ächzte er, als Vivana fertig war.
    »Schön, dass es dir geschmeckt hat«, sagte Lucien barsch und stopfte ihm den Knebel in den Mund.
    Zu Tode erschöpft legte sie sich hin. Es war nicht der Vorgang an sich, der sie so viel Kraft gekostet hatte, sondern die Tatsache, dass sie gezwungen war, Liam so etwas anzutun.
    Sie hasste diesen Ort, hasste ihn mehr als sonst etwas auf der Welt.
    Und plötzlich schlug die ganze Verzweiflung, die sie seit Stunden unterdrückte, über ihr zusammen, und sie begann, leise zu weinen.
    »Nicht«, murmelte ihr Vater. »Wir schaffen das.« Unbeholfen strich er ihr über das Haar. Sie ergriff seine Hand und hielt sie fest, auch dann noch, als sie längst schlief.
    Als sie aufwachte, hatte sie bohrende Kopfschmerzen, wie nach jedem Schlaf im Pandæmonium. Ihr Vater und Lucien brachen das Lager ab. Verwirrt setzte sie sich auf. »Bin ich mit der Wache dran?«
    »Dein Vater und ich haben auf den Dämon aufgepasst«, sagte Lucien. »Wir hielten es für besser, dich schlafen zu lassen. «
    Sie schälte sich aus ihrer Decke und stand auf. »Ich will nicht, dass ihr das macht. Ihr sollt keine Rücksicht auf mich nehmen.«
    »Wir wissen, wie schwer das alles für dich ist. Du musst uns nichts vormachen.«
    Sie wollte nicht mit ihm streiten, also ließ sie es auf sich beruhen. Müde packte sie ihre Sachen zusammen. Als sie ihre Umhängetasche aufhob, stellte sie fest, dass das Gelbe Buch nicht mehr darin steckte. Von plötzlicher Panik erfüllt fing sie hektisch an, das Lager abzusuchen.

    »Was ist denn?«, erkundigte sich ihr Vater.
    »Das Buch – es ist weg!«
    »Beruhige dich. Es ist hier.« Er hob eine Decke auf, und der Foliant kam zum Vorschein.
    Vivana hob ihn auf und presste ihn schützend an sich. »Was fällt dir ein, mir so einen Schrecken einzujagen? Du hättest mich fragen müssen, bevor du es nimmst!«
    »Entschuldige. Ich wollte es mir nur ansehen, als du geschlafen hast.«
    Sie steckte das Buch in die Tasche. Ihr Zorn verrauchte. Sogar zum Wütendsein war sie zu erschöpft. »Und, was hast du herausgefunden?«
    »Nichts. Die Schrift, in der es verfasst ist, habe ich noch nie gesehen. Wahrscheinlich ein alter Dialekt aus Yaro D’ar. Wenn wir wieder in Bradost sind, müssen wir es zu einem alten Freund von mir bringen. Er kommt aus Yaro D’ar. Vielleicht kann er uns helfen.«
    »Ich habe Tante Livia versprochen, ihr das Buch zu bringen«, erwiderte Vivana.
    »Livia?«, wiederholte ihr Vater argwöhnisch. Sein Verhältnis zu den Manusch im Allgemeinen und Vivanas Tante im Besonderen war nicht gerade gut. »Ich glaube nicht, dass sie die richtige Person für diese Aufgabe ist.«
    Vivana seufzte. »Lass uns darüber reden, wenn wir zuhause sind, in Ordnung? Im Moment haben wir genug andere Sorgen. «
    Wenig später hatten sie die Schlucht hinter sich gelassen und wanderten durch das Gebirge. Vivanas Vater und Lucien wechselten sich damit ab, den Dämon zu führen. Ruac, der inzwischen so groß wie ein Wolfshund war, hielt sich stets in der Nähe ihres Gefangenen auf. Offenbar hatte es sich der Tatzelwurm zur Aufgabe gemacht, auf den Dämon aufzupassen.
    Nach einer Weile fiel Vivana auf, dass sie nicht den Weg
entlanggingen, auf dem sie gekommen waren. Sie sprach Lucien darauf an.
    »Wir umgehen Nachachs Burg«, erklärte der Alb. »Das ist ein Umweg, aber ich halte das für sicherer. Mit ihm im Schlepptau« – er warf dem Dämon einen Blick zu – »will ich unter keinen Umständen Nachachs Blutsklaven begegnen.«
    Nach ein paar Stunden rasteten sie. Vivana hielt an ihrem Vorhaben fest, Liam zu füttern, obwohl ihr schon den ganzen Tag davor graute, ihn wieder zwingen zu müssen, die Suppe zu essen. Doch wie es schien, hatte der Dämon aus dem Vorfall gelernt. Als sie den Knebel löste und den Löffel zu seinem Mund führte, aß er ohne Widerstand und gab keinen Ton von sich.
    Der Gestank und die Bosheit, die von ihm ausgingen, waren unerträglich. Trotzdem blieb Vivana bei ihm sitzen, nachdem er aufgegessen hatte. Ihr Blick glitt über sein Gesicht, das so vertraut und gleichzeitig so fremd war.
    Wo bist du, Liam?
    »Kneble ihn«, forderte Lucien sie auf.
    Sie hielt den Knebel in ihrer Hand, doch sie brachte es nicht über sich, ihn dem

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