Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
machen.«
Mechanisch half Vivana dabei, Liam zu ihrem Unterschlupf zu tragen. Drinnen legten sie ihn auf den Boden und zogen die Fesseln fester, damit er sich nicht aufrichten und womöglich befreien konnte.
»Vorsichtig!«, sagte sie zu Lucien, der nicht gerade zimperlich vorging.
»Es muss sein. Er hat versucht, dich zu töten.«
Liams Wange begann von dem Faustschlag anzuschwellen. Alles in Vivana schrie, wie sie ihn so zugerichtet und zusammengeschnürt daliegen sah, und sie musste sich wieder und wieder sagen: Das ist nicht Liam. Das ist nicht Liam.
»Ich verstehe das alles nicht«, murmelte ihr Vater. »Was ist mit ihm passiert?«
»Ein Dämon hat von ihm Besitz ergriffen«, erklärte Lucien. »Vermutlich der Bewohner dieser Ruinen. Es hat mich schon gewundert, warum wir hier keine Dämonen angetroffen haben. Er muss Liam gefunden haben, nachdem er durch Seths Tor gefallen ist. Statt ihn zu töten, hat er sich seinen Körper geschnappt.«
»Heißt das, der Dämon ist in ihm?«
»So ungefähr.«
Vivana war nicht länger in der Lage, dem Gespräch zu folgen. Sie starrte Liam an, der allmählich zu sich kam.
Bist du wirklich tot?
Lucien und ihr Vater wandten sich zu ihr um. Sie begriff, dass sie ihre Gedanken offenbar laut ausgesprochen hatte.
»Hat das der Dämon gesagt?«, wollte Lucien wissen. »Dass Liam tot ist?«
Sie nickte. »Glaube ich nicht«, sagte der Alb. »Wahrscheinlich ist er noch da, gefangen in seinem eigenen Körper.«
Schweigend blickte Vivana ihn an. Sagte er das nur, um sie zu beruhigen?
Der Gedanke zerfaserte, löste sich auf. Sie fürchtete, dass sie den Verstand verlor, wenn ihr wirklich klar wurde, was geschehen war.
Liam kam wieder zu Bewusstsein. »Bindet mich los«, krächzte er.
»Gib diesen Körper frei, und du kannst gehen«, erwiderte Lucien.
»Du Narr! Ich könnte den Leib des Jungen in Stücke reißen, wenn ich wollte. Ich könnte ihn von innen heraus verbrennen oder von Maden auffressen lassen. Es gibt nichts, was ihr dagegen tun könntet.«
»Doch«, sagte der Alb und hob das Brandeisen auf.
Liams Augen verengten sich zu Schlitzen. »Was ist das?«
»Das weißt du genau.«
»Das wagst du nicht! Du würdest den Jungen mit dem Ding töten.«
»Ich würde ihn schlimmstenfalls verletzen. Nestor, mach Feuer.«
»Komm mir nicht zu nahe«, fauchte der Dämon, als Lucien mit dem Brandeisen in den Händen zu ihm trat.
Vivanas Vater packte ihren Gaskocher aus und griff nach den Zündhölzern. Sie meinen es ernst , durchfuhr es Vivana. »Nein«, sagte sie und stand auf. »Hört auf. Das könnt ihr nicht tun.«
»Hör auf das Mädchen, Alb«, sagte der Dämon. »Du weißt nicht, was du dem Jungen damit antust.«
Lucien beachtete weder Vivana noch ihn. Er ging vor ihm in die Hocke und legte sich das Brandeisen über die Knie. »Lebt Liam noch?«
Der Dämon starrte ihn an. Ein fahler Glanz erfüllte seine Augen.
»Antworte!«
»Ja, er lebt noch. Ich habe ihn in einem Winkel seines Verstandes eingesperrt.«
»Wehe, du lügst.« Lucien legte das Brandeisen hin, schnitt mit dem Messer ein Stück von einer Decke ab und knebelte den Dämon, der schimpfte und schrie und sich vergeblich dagegen wehrte.
Anschließend bat Lucien Vivana und ihren Vater in eine Ecke der Höhle, wo sie sich leise unterhielten, damit der Dämon sie nicht hörte. Ruac saß neben ihm und züngelte feindselig.
»Das ist kein gewöhnlicher Dämon«, flüsterte Lucien. »Ich kann spüren, dass er stark ist.«
»Stärker als der Lügner?«, fragte Vivanas Vater.
»Ja. Dass er einen menschlichen Körper übernehmen kann,
spricht dafür, dass wir es mit einem Belial zu tun haben. Oder einem anderen Erzdämon.«
»Und das heißt?«
Lucien antwortete nicht, aber er streifte Vivana mit einem Blick, der ihr den letzten Rest ihrer Zuversicht raubte. Lucien hatte kaum noch Hoffnung für Liam, sie sah es ihm an.
»Das Brandeisen«, murmelte sie. »Ich will nicht, dass du es benutzt.«
»Das hatte ich auch nicht vor. Ich wollte ihn nur einschüchtern.«
»Aber das Brandeisen ist vielleicht unsere einzige Chance«, widersprach ihr Vater. »Du könntest den Dämon brandmarken und ihm befehlen, Liams Körper zu verlassen.«
»Das ist zu gefährlich. Ich weiß nicht, ob das Brandzeichen bei einem gestohlenen Körper funktioniert. Möglicherweise hat es keine Macht. Oder es schadet Liam wirklich. Außerdem könnte es ihn töten, wenn der Dämon seinen Körper freigibt.«
Vivana hatte kaum noch
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