Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
Jimmy K. sich aus seiner Starre löste und wieder klar denken konnte. Er schaute ein letztes Mal auf die Leiche, die sich wie ein Kugelfisch seltsam aufblähte, und eilte weiter die Treppen hinauf zu seiner Wohnung. Den am ganzen Körper zitternden Paul, der ihm verwundert hinterherblickte, ließ Jimmy einfach stehen.
Erleichtert atmete er auf, als er sah, dass die Luft rein war und keine Bullen vor seiner Tür standen. Er fischte den Schlüssel aus der Tasche des Jacketts, schloss auf, ging hinein und riss die Tür eines Schranks im Flur auf. Neben einer Reihe Schuhe stand ein Aktenkoffer, den er hervorholte, auf den Boden legte und öffnete. Dann schob er hastig Jacken und Mäntel auf ihren Bügeln beiseite und löste die Rückwand des Schranks heraus. Dahinter hatte er in kleinen Plastikbeuteln den Stoff deponiert. Er holte sie heraus und warf sie in den Koffer. Jimmy hatte bisher nicht die Zeit gehabt, darüber nachzudenken, in was für eine verdammte Scheiße er da gerade eben hineingeraten und warum der fette Polizist durchgedreht war – aber er spürte im Urin, dass womöglich weitere Gefahren auf dem Weg nach unten lauerten. Deshalb holte er aus seinem Schlafzimmer die Pistole aus der Nachttischkommode und steckte sie vorsichtshalber in die Tasche eines Kurzmantels, den er sich überwarf, bevor er zurück zur Tür ging. Als er sie öffnete, erlebte er die nächste Überraschung: Vor ihm stand Paul Cancic und versperrte ihm den Weg.
»Tot …«, sagte Paul und hielt ihm sein Handy vors Gesicht. Er klang so bekümmert, als verkündete er den Tod eines geliebten Menschen.
»Ja, und?«, erwiderte Jimmy und versuchte, ihn zur Seite zu schieben.
Aber Paul rührte sich nicht vom Fleck.
Jimmy hatte keine Lust, dem armen Alkoholiker eine zu verpassen, damit der sich von der Stelle bewegte; aber ihm war auch bewusst, dass er wahrscheinlich keine andere Wahl hatte, wenn der Kerl sich querstellte. »Beweg deinen Arsch weg«, knurrte er ihn an.
Paul überhörte den drohenden Unterton und jammerte: »Er sah genauso aus wie die tote Alte!«
Was labert dieser kranke Alki eigentlich? , dachte Jimmy. Er wollte seine Aufforderung nicht noch einmal wiederholen und ballte schon die Faust, um sie dem Mann in die Magengrube zu rammen. Doch dann ging Paul einen Schritt zur Seite, sodass er an ihm vorbeigehen konnte. Jimmy schlug die Tür hinter sich zu und lief los. Er hörte noch, wie Paul ihm etwas hinterherrief, doch die Worte verstand er nicht, weil er bereits im Treppenhaus angelangt war. Rasch warf er einen Blick auf die Rolex an seinem Handgelenk: Seit er das Gebäude betreten hatte, waren etwa zwanzig Minuten vergangen. Bestimmt hatten die Nachbarn inzwischen die Bullen verständigt, und mit hoher Wahrscheinlichkeit waren sie schon auf dem Weg in die zweiundzwanzigste Etage; es standen ja genug Polizeiwagen vor der Tür. Wenn er Glück hatte, würde ihr toter Kollege sie eine Weile ablenken.
Nicht eine Menschenseele begegnete ihm, während er die Treppen zum Keller hinunterrannte. Er lief zu der Tür, durch die er vorhin unbemerkt ins Haus gelangt war, und drückte den Griff herunter. Rätselhafterweise war sie verschlossen. Er holte den Nachschlüssel hervor und versuchte, sie damit zu öffnen – es war vergeblich. Dann begann er, am Griff zu rütteln und sich gegen die Tür zu stemmen, doch es half nichts. Wie es ausschaute, blieb ihm jetzt nur noch eine einzige Möglichkeit zur Flucht: der Hauseingang. Aber was, wenn er dort auf die Polizei traf? Er musste es trotzdem versuchen, wenn er nicht hier unten die Drogen verbrennen und so ein immenses Vermögen vernichten wollte.
Entschlossen lief er die Treppe zum Erdgeschoss hoch und ergriff vorsichtig die Klinke der Metalltür. Er drückte sie ein kleines Stück auf und spähte durch den Spalt in den Eingangsbereich, der zu seiner Verwunderung im Dunkeln lag. Normalerweise fiel tagsüber viel Licht durch die gläserne Eingangstür und die Fensterfront herein. Er trat in den Hausflur und drückte auf den rötlich leuchtenden Lichtschalter. Dann erst sah er, dass Tür und Fensterfront von außen mit Brettern zugenagelt worden waren. Hatten sich ein paar Kinder einen Spaß erlaubt? Oder war diese idiotische Jugendgang, die immer im Hausflur herumlungerte, jetzt völlig durchgeknallt? Jimmy blickte auf eine weiße Holzwand, wo ansonsten der Asphalt vor dem Haus und die Bäume der Allee zu sehen waren. Er war so stark darauf konzentriert, einen Sinn in diesem Anblick zu
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