Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
Vom Netzwerk:
einem kleinen See ansammelte.
    Der Fremde rannte nun auf Strutzke zu, und der schaute nur blöd, als die Waffe erneut kreiste.

29
    Eben noch ein großer schwarzer Ball am grauen Himmel von Berlin, veränderte die Erscheinung ihre Form und wurde zu einem langen Strich. Naomi stand am Fenster in der Küche und starrte einem Schwarm schwarzer Raben hinterher, der am Fernsehturm vorbei in Richtung Westen flog, bis er sich schließlich in der Ferne als kleiner Punkt am Horizont verlor.
    Da wo der Tod ist, da lauern die Raben.
    Dieser Gedanke ließ Naomi eigentümlich unberührt, genauso wie die schrecklichen Schicksale der Menschen, die jetzt alle nicht mehr lebten. Es gab zwar keinen direkten Bezug zum Tod ihres Vaters, aber irgendwie hing alles damit zusammen. War es dem Trauma, das ihre Gefühle hatte abstumpfen lassen, vielleicht zu verdanken, dass sie den um sie herum ablaufenden Wahnsinn aushalten konnte und nicht durchdrehte?
    »Was ist denn das für eine Scheiße?«, hörte sie Jimmy sagen. Sie drehte sich zu ihm um.
    Jimmy saß auf dem Sofa. In der Hand hielt er aufgeschlagen ihr Büchlein, das sie unbedacht auf dem Tisch hatte liegen lassen. »4. August: Polizei erscheint bei Jimmy«, las er laut vor. »Schon das zweite Mal diese Woche … 7. August: ein elegant gekleideter Mann. Schwarzer Anzug. Aktenkoffer. Hornbrille. Zirka fünfzig Jahre alt. Sieht aus wie ein Geschäftsmann oder Anwalt. Besucht Jimmy. Verlässt um zweiundzwanzig Uhr wieder die Wohnung.« Hektisch blätterte er ein paar Seiten weiter und las leise weiter. Man sah ihm an, dass er sich immer mehr aufregte.
    »Und hier!«, rief er plötzlich. »2. September: … habe gesehen, wie er den Beutel mit dem Kokain vom Balkon hinuntergeworfen hat, bevor die Polizei seine Wohnung stürmte.«
    Naomi eilte zu ihm, um ihm das Buch aus der Hand zu reißen. »Gib das her. Das geht dich nichts an!«
    »Und ob mich das was angeht. Bist wohl so eine kleine Stasi-Göre!«, schrie er sie an. »Was hast du damit vor? Mich an die Bullen verpfeifen!?« Das war in seiner Paranoia das Erste, woran er dachte. Er sprang auf, stieß sie zur Seite und lief im Raum auf und ab, während er weiter darin las.
    »Zehn Seiten über den alten Mann da.« Er zeigte auf Witter, der mit angewinkelten Beinen unter einer Decke auf dem Sofa lag und vor sich hinstarrte.
    »Fünf Seiten über den armen Alkoholiker aus dem einundzwanzigsten Stock!« Mit dem armen Alkoholiker meinte er Paul Cancic.
    Er blätterte weiter. »Wedkind, Pawutzke und, und, und …«
    »Gib es mir zurück!« Sie klang verzweifelt, fast wie ein Junkie, dem man die Drogen wegnahm. Das Buch war für sie viel mehr als nur eine Ansammlung dahingekritzelter Notizen. Es war ihr Kontakt nach draußen, ein Guckloch aus ihrem inneren Gefängnis.
    »Du bist echt krank, kleines Mädchen«, konstatierte Jimmy.
    Schwingt da ein winziges Quäntchen Mitleid in seinen Worten mit?, fragte sie sich im Stillen. Klar, hauptsächlich war er megamäßig angepisst, aber das schien ihr nicht alles zu sein.
    Der Dealer ging zu den Seiten zurück, auf denen etwas über ihn stand; und seine Hand packte die Blätter mit festem Griff.
    »Nein!«, schrie Naomi. Doch da war es schon zu spät.
    Er riss die Seiten heraus, zerstückelte sie und ließ sie in kleinen Schnipseln auf die Erde rieseln. Anschließend drückte er ihr das Buch in die Hand und sagte: »Komm ja nicht noch mal auf die Idee, etwas über mich da reinzuschreiben. Wenn doch, mach ich dich alle.« Dann verschwand er in der Küche.
    Jimmys Drohung zeigte Wirkung. Naomi stand einfach nur da und wagte es nicht, zu ihm zu gehen und ihm Vorwürfe zu machen. Schließlich steckte sie das Büchlein in die Gesäßtasche ihrer Jeans und schaute zu Witter. Sie musste dabei an das Gesicht ihrer Mutter denken, die so traurig dreingeblickt hatte, als sie ihr erzählte, wie Witter auf der Krebsstation im Klinikum aufgetaucht war. Sie warf einen Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Am späten Nachmittag kehrte ihre Mutter normalerweise von der Arbeit zurück. Manchmal jedoch verspätete sie sich auch, weil sie nicht pünktlich rauskam oder noch Besorgungen zu erledigen hatte.
    Naomi ging auf den Balkon und schaute durch das Fernrohr hinab auf das Gelände vor dem Gebäude. Sie hatte das Gefühl, dass in der letzten halben Stunde noch mehr Mannschaften der Polizei und andere Einsatzkräfte angerückt waren. Der Schutzzaun war mittlerweile fast um das ganze Gebäude herum aufgebaut worden. An

Weitere Kostenlose Bücher