Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
zu sein, was er darauf entgegnen sollte. Dann gab er wie ein Sprachautomat das wieder, was ihm seine Vorgesetzten aufgetragen hatten, in so einem Fall zu sagen: »Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben.«
Simone drängte sich durch die Menschenmenge hindurch bis zur Absperrung, allerdings wurde sie dabei ziemlich weit zur Seite geschoben. Sie versuchte, auf sich aufmerksam zu machen, und winkte dem älteren Polizisten zu. Doch er stand zu weit von ihr entfernt, um sie zu bemerken, und war zudem vollauf damit beschäftigt, die Meute der Reporter zu beruhigen.
Weil er nicht auf sie reagierte, fing Simone an, über die Köpfe der anderen laut in seine Richtung zu schreien: »Hallo! Hallo! Bitte helfen Sie mir! Naomi, meine Tochter … sie ist in dem Gebäude!«
Sie klang so schrecklich verzweifelt, dass sich die versammelte Presse zu ihr umdrehte. Die Meute hatte eine neue, interessante Beute gefunden und stürzte sich auf sie.
»Sie sagen, dass sich ihre Tochter dort drin befindet?«, wurde sie von der jungen Reporterin gefragt, die sich zuvor schon durch besondere Hartnäckigkeit ausgezeichnet hatte. Sie zeigte zum Gebäude und hielt dann Simone das Mikro unter die Nase. »Wann haben Sie Ihre Tochter das letzte Mal gesehen oder gesprochen?«
»Heute Morgen, als ich zur Arbeit ging …« Simone klang zögerlich und etwas eingeschüchtert. Sie fühlte sich sichtlich unwohl wegen der vielen Kameras und Mikrofone, die auf sie gerichtet waren.
Ein anderer Reporter rief: »Wie alt ist Ihre Tochter?«
Sie drehte den Kopf zu ihm und antwortete: »Sechzehn.« Dann schaute sie wieder zu der jungen Reporterin. »Ich habe gerade versucht, Naomi anzurufen, aber es war nicht möglich.«
»Hat Sie bisher keine der offiziellen Stellen verständigt?«, erkundigte sich die junge Reporterin.
Simone schüttelte den Kopf. Die Reporterin richtete den Blick in eine der Kameras und sagte mit angestrengt betroffener Stimme: »Das Beispiel dieser besorgten Mutter zeigt, dass die Behörden – trotz gegenteiliger Behauptungen – nicht Herr der Lage sind. Es wurde versäumt, die Angehörigen der Menschen zu kontaktieren, die sich in dem Gebäude befinden. Niemand fühlt sich offenbar dafür zuständig, die Leute ausreichend zu informieren.«
Die anderen Reporter rückten näher an Simone heran und riefen ihr mit der Geschwindigkeit eines Schnellfeuergewehrs Fragen zu.
»Sind Ihnen Menschen in Ihrer Nachbarschaft aufgefallen, die erkrankt sind?«
»Was schätzen Sie – wie viele sind es?«
»Ist Ihre Tochter erkrankt?«
»Haben Sie selbst Symptome der Krankheit?«
»Kannten Sie Johanna Wedkind?«
Simone drehte ihren Kopf nervös nach allen Seiten, sie fühlte sich wie ein aufgescheuchtes Reh in einem Kreis hungriger Wölfe.
»Hören Sie auf mit Ihren Fragen«, hörte sie plötzlich einen Mann in Uniform sagen, der zwischen den Reportern auftauchte. Er fasste Simone am Arm und zog sie aus dem Kreis der Reporter heraus. »Kommen Sie bitte mit mir!«
Simone ließ sich von ihm wegführen. Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge, wobei er mehrmals »Machen Sie bitte Platz!« rufen musste, bevor die Reporter zur Seite wichen. Er führte sie hinter die Absperrung. Simone hatte jetzt freie Sicht auf den Bauzaun, die Einsatzfahrzeuge der Polizei und des Roten Kreuzes und auf die vielen Polizisten und anderen Einsatzkräfte, die vor dem Gebäude umherliefen.
»Sagen Sie mir bitte, was hier vorgeht!« Mit einem flehenden Ausdruck im Gesicht sah sie ihn an. »Was ist mit meiner Tochter?«
»Ihren Namen bitte zuerst!«, forderte der Beamte sie auf und schaute auf eine Liste.
»Simone … Simone Sabelmann.«
»Und der Name Ihrer Tochter?«
»Naomi … Naomi Sabelmann.«
»Und Sie sagen, dass sie sich in dem Gebäude befindet?« Er fragte das, ohne aufzuschauen, und vermerkte auf der Liste etwas mit einem Kugelschreiber, den er aus seiner Brusttasche gezogen hatte.
»Ja! Meine Tochter ist in unserer Wohnung. Und jetzt lassen Sie mich bitte zu ihr … Wer sind Sie überhaupt?« Simone wurde laut und klang jetzt hysterisch.
»Bitte beruhigen Sie sich wieder und beantworten Sie weiter meine Fragen.« Er sah sie mit ernster Miene an. »Mein Name ist Stefan König, und ich bin der verantwortliche Einsatzleiter für diese Maßnahme. Das gesamte Gebäude steht unter strengster Quarantäne. Kein Mensch darf das Gebäude betreten, mit Ausnahme von Einsatzkräften, die ausreichend geschützt sind. Sie sind verpflichtet, mit uns zu
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