Pandoras Kuss
tat ich das ohne mein eigentliches Zutun. Wo immer die gewohnte Marie Colbert sich gerade aufhielt, der Ort war meilenweit entfernt vom Belle Epoque.
Ich lief wie auf Autopilot. Und ich fand es schon extrem unverschämt, dass ich noch nicht mal wusste, wer den eingeschaltet und ausgerichtet hatte. In mir regte sich eine Fremde, die mir zwar ähnlich sah, aber sich mir bisher noch nicht vorgestellt hatte.
Ich war nicht sicher, ob mir diese Fremde sonderlich sympathisch gewesen wäre, sollte sie denn je den Mumm haben sich mir sozusagen sich ganz offiziell vorzustellen. Aber solange sie mich zu nichts weiter zwang, als diesen oder jenen allzu schamlosen Blick mit einem arroganten Lächeln zu bestrafen, ging das vorerst noch ganz in Ordnung so.
Persephone war nirgends zu entdecken.
Dabei war ich überzeugt, dass sie irgendwo hier sein musste um mir zuzusehen, wie ich mich in ihrem Edelschlampenoutfit durch dieses Horrorkabinett von Anzüglichkeiten und Abscheu arbeitete.
Der Kellner stoppte vor einer Treppe.
Er wies stumm nach oben und stieg mir dann voran die Stufen hinauf.
„Albert, mach den Mund wieder zu“ , zischte eine Frauenstimme so laut und wütend, dass es selbst das Küchenpersonal gehört haben musste.
Irgendein Mann lachte geziert.
Die Fremde in mir kühlte ihr Lächeln noch um ein paar weitere Minusgrade herunter.
Ich ließ es ihr gerade noch einmal so durchgehen.
Die Treppe führte zu einer eleganten Jugendstilschwingtür und hinter der Schwingtür lag ein kleinerer Speiseraum mit nur acht Tischen - den besten des Restaurants.
16 .
Die Gesichter einiger der Gäste hier kannte ich aus dem Fernsehen. Aber auch von den übrigen machte keiner den Eindruck, als hätte er kürzlich in einer Schlange im Sozialamt anstehen müssen.
An einem der Tische saß Persephone.
Sie trug ein nachtblaues Kleid und hatte ihre Haare streng nach hinten frisiert. Um ihren langen Hals lag eine Kette aus mattroten Steinen.
Die Reaktionen auf mein Erscheinen fielen hier subtiler aus. Zwar sah man mir auch hier nach, doch es lag eher Neugierde als Erstaunen oder gar Entrüstung in den Blicken.
Die einzigen hier, die meinen Auftritt völlig ignorierten waren Persephone und einer der beiden Männer an ihrem Tisch.
Der einzige unbesetzte Tisch war ein Einzeltisch mitten im Raum.
Der Kellner führte mich geradewegs darauf zu.
Ich würde dort wie auf dem Präsentierteller sitzen.
Der Kellner schob mir meinen Stuhl zurecht, reichte mir die Karte und betete dazu sehr höflich und sehr deutlich die heutigen Empfehlungen herunter.
Sollte dies ein Test sein, ob die kleine Sergeantin Colbert tatsächlich schon alleine mit Messer und Gabel in einem Restaurant essen konnte, bitte sehr, sie hatte kein Problem es zu beweisen.
Ich wählte das Fischmenü und diskutierte ein paar Takte mit dem Sommelier über den passenden Wein dazu.
Mein gewöhnliches Ich krümmte sich vor Scham und Angst. Doch die Fremde in mir nutzte die Gelegenheit und drängte sich frech weiter in den Vordergrund. Sie hatte so gar kein Problem damit sich wie ein Ausstellungsstück all den Blicken rundum preiszugeben.
Persephone ignorierte mich immer noch. Nichts an ihrem Verhalten deutete darauf hin, dass sie mich kannte oder auch bloß mein Erscheinen registriert hätte.
Der ältere Mann an ihrem Tisch machte ihre Ignoranz allerdings beinah wett. Selbst in seinen besten Jahren konnte er kein schöner Mann gewesen sein. Trotzdem hatte er eine Ausstrahlung an sich, die ihn von gewöhnlichen Männern abhob. Er war auch der einzige, der es wagte, mich ganz offen zu mustern, sobald ich den Raum betrat.
Das Menü war ausgezeichnet und der Wein, den ich dazu auswählte, genau richtig. Angesichts der Preise des Belle Epoque fand ich es nur angemessen, dass ich auch meinen Spaß hatte. Vielleicht, dachte ich sarkastisch, ging es Persephone bei diesem Spielchen eigentlich ja nur darum, die städtische Nobelgastronomie mit Hilfe meines Schwarzgeldes zu bereichern.
Der Kellner brachte den Kaffee.
Ich verlangte die Rechnung.
„Die Rechnung, Mademoiselle?“ , fragte er erstaunt.
Persephone war in eine Unterhaltung mit ihren Tischnachbarn vertieft, und ignorierte meine Blicke jetzt genauso wie zuvor.
„Ihre Rechnung ist bereits beglichen“, flüsterte der Kellner.
Hm, dachte ich , und glaubte endlich zu verstehen worin der Zweck dieser Inszenierung bestand und was die dunkle Fee sich davon erhoffte.
Die Gäste hier waren Mitglieder
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