Pandoras Kuss
dass Wirtschaftskongresse hauptsächlich von Männern besucht wurden und offensichtlich nicht alle von denen in ihren Hotels zu Abend aßen. Das Belle Epoque war der beste Fresstempel der Stadt. Die Straße vorm Eingang zum Restaurant war von parkenden Limousinen verstopft. Die Chauffeure hatten ihre Schlipse gelockert und standen rauchend und schwatzend vorm Eingang des Belle Epoque zusammen, als ich in die schmale Einbahnstraße eilte.
Ich dachte: Völlig unmöglich, dass die dunkle Fee ausgerechnet heute im Belle Epoque einen Tisch ergattert haben sollte.
Gleich darauf spürte ich die Blicke der Männer.
Erst einer, dann zwei, dann drei – wie es in dem alten Kinderlied hieß.
In meinem üblichen Flic-Outfit hätten mir diese Blicke nicht viel ausgemacht, höchstens hätte ich irgendwann die Jacke beiseite geschoben , um ihnen den Clipholster mit meiner Dienstwaffe zu zeigen. Das brachte normalerweise jeden Typen dazu, es sich zwei Mal zu überlegen, ob es wirklich so eine gute Idee war mich blöd anzumachen oder mir nach zu pfeifen.
Heute Abend hatte ich meine Di enstwaffe zu Hause gelassen, trug eine beinah transparente Bluse zu einem arschengen Bleistiftlederrock und war außerdem angemalt wie eine Opernsängerin.
Für einen Augenblick fiel meine schöne Maske aus Schminke, Edelluderoutfit und falschem Selbstbewusstsein einfach in sich zusammen. Und während ich immer noch genauso eilig wie zuvor auf den Eingang des Belle Epoque zu tackerte , schwor ich mir, dass der erste von ihnen, der mich nach dem Preis fragte, eine Millisekunde später seine Eier ungefähr auf Höhe seiner Schädeldecke klingeln hören würde.
Doch obwohl mittlerweile jedes männliche Wesen in der Straße zu mir herüber starrte, brachte keiner von ihnen ein Wort über die Lippen. Sie sahen mich einfach nur sprachlos an.
Ich begriff , dass es definitiv nichts besser machte, wenn ich weiterhin mit wippender Oberweite, wiegenden Hüften und fliegender Lockenpracht derart die Straße herauf fegte.
Also nahm ich deutlich Tempo heraus. Wenn schon eine Kanonenkugel mit Armen, dann eine mit Anspruch. Mein fa lsches Selbstbewusstsein wusste diesen Schachzug zu schätzen.
Die Chauffeure ließen nicht zu, dass der livrierte Türsteher des Belle Epoque mir die Restauranttür aufhielt, sondern sprangen zu dritt umeinander nur um sich diese Ehre selbst zu geben.
Ich versuchte es mit einem überlegenen Dankesnicken und trat ein.
Die gute Nachricht war, es befanden s ich auch Frauen im Belle Epoque. Die schlechte lautete: Das Restaurant war proppenvoll und die Frauen darin waren so deutlich in der Minderheit, dass es schon fast lächerlich war. Bei den Männern waren Anzüge in gedeckten Farben die Regel. Was die Frauen betraf, herrschten Cocktailkleider und Kostümchen vor, auch in eher gedeckten Farben. Meine zartrosa Bluse war hier ungefähr so unauffällig, wie ein blauer Punkt auf einem schwarzen Quadrat.
„H Hh aben Sie reserviert?“, fragte der Maitre d’Hotel mit einem Lächeln, das zehn Grad unter dem Gefrierpunkt lag.
Das halbe Lokal sah schon zur Tür herüber. Zumindest die Blicke der Frauen waren definitiv toxisch.
Ich fragte mich, ob der einzige Sinn dieser Übung darin bestand, dass ich mich vor all diesen Fremden zu demütigen und lächerlich zu machte.
„Mademoiselle …?“ , drängte der Maitre d’Hotel.
„Colbert …“ , flüsterte ich kleinlaut, überzeugt, dass er nach dem livrierten Türöffner winkte, der sicher nebenbei auch als Rausschmeißer fungierte.
„Selbstverständlich“ , antwortete der Maitre d’Hotel, taute sein Lächeln auf und winkte einen Kellner herbei, der mich zu meinem Tisch führen sollte.
Ich reckte das Kinn hervor, holte noch einmal tief Luft und schritt dann mit durchgedrücktem Rücken und wiegenden Hüften dem Kellner hinterdrein.
Bloß ungefähr drei Leute in dem voll besetzten Restaurant schauten mir nicht nach. Einer davon putzte gerade seine Brille. Die anderen beiden waren Kellner und eben im Begriff ein Dessert zu flambieren.
Die Blicke, die mir folgten, ließen sich in drei Kategorien einordnen: erstaunte, pikierte und anzügliche.
Die erstaunte und pikierte Sorte kam hauptsächlich von Frauen. Die anzügliche Sorte ausschließlich von Männern. Was bedeutete, sie waren zahlenmäßig den pikierten haushoch überlegen.
Ich ertappte mich dabei wie ich ab und zu einen der wirklich unverschämten Männerblicke mit einem Lächeln beantwortete. Und irgendwie
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