Pandoras Kuss
Wrackstapel führte.
Ich würgte und zitterte. Dann kotzte ich Rava auf die glänzenden Schuhe.
Es schien ihm nichts auszumachen. Er hielt mich weiterhin an den Schultern und passte auf, dass ich nicht hinfiel. Er wartete seelenruhig ab bis ich mich zu Ende erbrochen hatte.
Er zog einen Flachmann hervor und öffnete ihn.
„Los! Das hilft gegen den Geschmack im Mund und bringt den Kreislauf wieder in Schwung“, flüsterte er.
Ich trank und hustete.
Irgendein scharfer Alkohol, Scotch oder Cognac.
Aber Rava hatte Recht.
Der Alkohol half gegen das flaue Gefühl im Magen und spülte den ekligen Geschmack von Angst und Erbrochenem aus meinem Mund.
„Das war die beschissenste Verhandlungsführung, die ich je miterleben durfte. Trotzdem bin ich sicher, dass Ihnen ein paar Leute gratulieren wollen“, grinste er mich an.
Tatsächlich gaben uns, zurück am Kommandostand, sämtliche Kollegen stehenden Applaus.
In dem darauf folgenden Durcheinander aus Polizeiwagen, geschäftigen Kollegen und gebrüllten Befehlen, spielte ich keine Rolle mehr.
Ich setzte mich vor dem Kommandovan auf den Boden und hielt mich wechselweise an einer qualmenden Zigarette und einem Becher heißem Tee fest.
Von da aus sah ich zu wie man Michel Bellot auf einer Trage in einen Krankenwagen schob und dann auch nacheinander alle übrigen Mitglieder des Clans in Streifenwagen setzte und davonfuhr.
Michel Bellot hatte eine Schusswunde in der Schulter davongetragen. Nichts Lebensgefährliches, ein glatter Durchschuss. Rava hatte ihn angeschossen als er sah wie Michel hinter dem Fenster der Lagerhalle sich bereit machte, auf seinen Vater zu schießen, während der mit erhobenen Händen aus dem Büro trat.
Ravas Treffer verhindert das und hatte Michels Bruder Pierre außerdem derart verängstigt, dass er aufgab und seinen vor Angst und Schmerzen brüllenden Bruder aus der Lagerhalle ins Freie zog.
Rava, Hublot und Bechel waren immer noch schwer beschäftigt damit den Abzug der Truppe zu koordinieren. Und draußen hinter der Absperrung lauerten Journalisten mit Fotoapparaten und Kameras.
Oh Gott – sie würden doch nicht von mir erwarten, dass ich jetzt auch noch Interviews gab, oder?
Hublot bestand darauf, dass i ch nicht selbst nach Hause fuhr und setzte mich kurz entschlossen in einen Streifenwagen, der mich nach Hause bringen sollte.
Während der Fahrt versuchte ich das Chaos in meinem Kopf unter Kontrolle zu bringen.
Es gelang mir nur unzureichend.
Bevor der Streifenwagen abfuhr war Rava zu mir heran getreten. Er lächelte mir ermutigend zu, bevor er dann auf das Wagendach klopfte, um dem Fahrer zu bedeuten, dass er losfahren sollte.
Im Rückspiegel sah ich ihn kleiner und kleiner werden, während der Streifenwagen auf die Blitzlichter, Kameras und Mikrophone hinter dem Schrottplatztor zurollte.
Ich war gerade dem Tod von der Schippe gesprungen und für so ziemlich alle Polizisten der Stadt zur Heldin des Tages avanciert. Ich hatte Hunger und Durst und sehnte mich nach einem Bad und das alles zugleich. Gestern um dieselbe Zeit hatte ich in einem verwunschenen Schloss mit einer Dreiviertelmilliardärin geschlafen und heute wäre ich um ein Haar über den Haufen geschossen worden. Der nächste, der sich bei mir danach erkundigte, wie mein Wochenende so gelaufen war, würde sein blaues Wunder erleben.
Ich sagte dem Kollegen am Steuer, dass ich ein Stück laufen wollte , um frische Luft zu schnappen (Und zu testen, ob meine butterweichen Knie mich wider Erwarten vielleicht doch noch zu tragen vermochten. Aber das sagte ich ihm natürlich nicht. Das passte nicht zu Heldinnen.)
So stoppte er den Streifenwagen ein paar hundert Meter von meinem Haus entfernt. Es war warm und die Dämmerung fiel herab. So viel war auf den Straßen an einem Sonntagabend nicht los, dennoch fühlte ich mich auf eine seltsame Art jedem Passanten verbunden, dem ich auf meinem Weg begegnete.
Auf den letzten zehn, zwanzig Metern zu meinem Ha us beschleunigte ich mein Tempo. Fast lief ich.
46 .
Ich öffnete die Haustür und stürmte die Treppen hinauf. Atemlos gelangte ich zu meiner Wohnungstür, schloss auf und ließ mich , gleich so wie ich war, in meinen schmutzigen und durchgeschwitzten Sachen auf die Couch fallen.
Ich schloss die Augen und fragte mich, ob ich die Ereignisse dieses Nachmittags nicht nur geträumt hatte.
Oh Heiliger im Himmel – hatte ich mir wirklich vor Rava die Seele aus dem Leib gekotzt? Auf seine
Weitere Kostenlose Bücher