Pandoras Tochter
Er ist ein guter Mann.«
»Wie gut? In jeder Hinsicht?«
»Er ist vielseitig. Schusswaffen, Messer, Karate, Tai-Chi. Wenn er nicht gerade jemanden unschädlich machen muss, ist er äußerst unterhaltsam.«
»Ich glaube nicht, dass ich einen Hofnarren gebrauchen kann.«
»Harley schert sich nicht darum, was du brauchst. Er ist, was er ist. Da du Probleme hast, meine Anwesenheit zu dulden, muss ich deine Sicherheit mit anderen Mitteln gewährleisten. Dir wird nichts passieren, Megan.« Damit verließ er das Wartezimmer.
Seine letzten Worte beruhigten sie. Im Moment fühlte sie sich grenzenlos allein, sie war verwirrt und traurig. Grady ließ sich nicht von Zuneigung oder Freundlichkeit leiten, dennoch wollte er sie beschützen. Sie würde diesen Schutz brauchen, wenn es ihr gelang, die Konfusion abzuschütteln.
»Hi. Schlimme Sache, was? Kann ich irgendwas tun?«
Sie öffnete die Augen. Ein großer, schlaksiger Kerl in einem Hawaiihemd stand in der Tür. Sie richtete sich auf. »Nein danke.«
»Bestimmt nicht?« Er kam in den Warteraum. »Ich bin nicht nur ein Wichtigtuer, der seine Nase in Ihre Angelegenheiten steckt. Das würde mich auch ankotzen. Mein Name ist Jed Harley, und ich werde dafür bezahlt, meine Nase in Ihre Angelegenheiten zu stecken.« Er ließ sich auf den Stuhl neben ihr fallen. »Das sollte Ihnen ein besseres Gefühl geben. Beschützen und beruhigen. Das ist mein Job.«
Sie starrte ihn an. Er war Mitte dreißig, sonnengebräunt mit sandfarbenem Haar und strahlend blauen Augen. In dem Hawaiihemd glich er eher einem Strandgutsammler als dem Mann, den Grady beschrieben hatte. »Ihre Manieren am Krankenbett lassen zu wünschen übrig, Mr Harley.«
»Nur Harley.« Er grinste. »Und Sie liegen nicht im Krankenbett. Genau genommen ist mein Umgang mit Kranken vorzüglich. Ich hatte mal einen Job als Notarztwagenfahrer und war verdammt hilfreich. Die Patienten haben mich geliebt. Ich passe mein Benehmen nur der Situation an. Sie sind keine Lady, die ein liebevolles Tätscheln zu schätzen wüsste. Sie sind sehr eigenständig.«
»Woher … liebe Güte, sind Sie auch so ein Freak wie Grady?«
»Um Himmels willen, nein.« Er schauderte. »Gott behüte. Ich bevorzuge das einfache, unkomplizierte Leben. Ich bin nur ein guter Menschenkenner. Ich habe Sie beobachtet, und Sie sind nicht schwer zu durchschauen. Mir kommt es vor, als würde ich Sie schon lange kennen.«
»Reizend«, gab sie sarkastisch zurück. »In letzter Zeit frage ich mich, ob ich mich so gut kenne.«
Wieder grinste er. »Sprechen Sie mit mir. Ich beantworte Ihre Fragen.« Er lehnte sich zurück. »Aber jetzt halte ich den Mund und lasse Sie in Ruhe. Nein, so richtig werden Sie sich wahrscheinlich nicht entspannen, aber Sie müssen sich nicht auch noch mit meinem Unsinn abgeben. Unter anderen Umständen würden Sie mich bestimmt faszinierend finden, davon bin ich überzeugt, aber jetzt ist der falsche Zeitpunkt. Lehnen Sie sich einfach zurück – ich bin für Sie da und werde tun, was immer ich kann.«
Zu ihrer eigenen Überraschung tat sie, was er sagte, und lehnte sich zurück. Der komische Kauz war erstaunlich besänftigend. »Sie brauchen nicht für mich da zu sein. Ich bin sicher, Grady hat nicht gemeint, dass Sie neben mir sitzen und Händchen halten sollen.«
»Ich bin immer ein bisschen übereifrig. Ich bin der Meinung, dass das Leben eine einzige Party mit Feuerwerk sein sollte, und es macht mich hellhörig, wenn jemand von der Party ausgeschlossen ist. Ich muss einfach etwas dagegen unternehmen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und streckte die Beine aus. »Also, ignorieren Sie mich, bis Sie mich brauchen.«
Bizarr, der Typ war einfach bizarr.
Aber eigenartig beruhigend.
Wieder machte sie die Augen zu, legte die Hände auf die Armlehnen und wartete.
Zehn Minuten verstrichen.
Fünfzehn.
Zwanzig.
»Megan.« Plötzlich legte sich Harleys Hand auf ihre. »Ich glaube, da kommt der Arzt.«
Sie riss die Augen auf.
»Dr. Blair?« Dr. Pretkay, der Spezialist vom Johns Hopkins, stand in der Tür. Sie umklammerte Harleys Hand. Pretkays Miene drückte Mitgefühl und … Bedauern aus.
Verdammt. Verdammt. Verdammt.
Phillip war nicht groß, aber in dem weißen Krankenhausbett wirkte er noch schmächtiger.
»Hi, Phillip«, begann Megan verlegen, als sie sich dem Bett näherte. »Ich bin nicht sicher, ob du mich verstehen kannst. Die Experten sind sich nicht einig, wie viel Koma-Patienten mitbekommen.«
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