Pandoras Tochter
Sie ergriff seine Hand. Sie war kühl und schlaff, ganz anders als sonst. »Ich dachte, ich versuch’s wenigstens. Wenn du verstehen kannst, was um dich herum vorgeht, fühlst du dich wahrscheinlich hilflos, und das ist echt scheußlich.« Fang jetzt bloß nicht an zu heulen. »Sie sagen, dass sie im Moment nichts tun können, um dir zu helfen. Deshalb bringen wir dich in ein privates Pflegeheim, dort wird man sich großartig um dich kümmern. Vielleicht kann ich dich dort nicht gleich besuchen, aber ich werde nicht aufhören, nach einer Therapiemöglichkeit für dich zu suchen.« Sie schluckte und flüsterte: »Ich liebe dich. Danke für all die Jahre, Phillip.« Nein, das klang wie ein Abschied, und sie würde Phillip nicht aufgeben, egal, was Pretkay sagte. »Aber wir werden noch viele gemeinsame Jahre haben. Lass mir nur etwas Zeit, mich über alle Möglichkeiten zu informieren.« Sie beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Bis bald.«
Sie ging eilends hinaus. Als sie in den Korridor kam, war sie blind vor Tränen.
»Hey, ganz ruhig.« Grady zog sie in die Arme und wiegte sie. »Wehr dich nicht gegen mich. Du brauchst eine Schulter zum Anlehnen, und ich möchte dir helfen.«
Sie ließ ihn gewähren. Er fühlte sich warm, stark und lebendig an. Genau das brauchte sie jetzt nach der Begegnung mit dem halbtoten Phillip. »Pretkay sagt, dass Phillip vielleicht nie wieder aufwacht. Er hat mich gefragt, ob ich will, dass sie die lebenserhaltenden Apparate ausschalten.« Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. »Zum Teufel mit ihm. Das kommt gar nicht in Frage. Phillip hatte noch nicht mal die Chance, sich aus dem Koma zu befreien. Und ich hatte noch keine Chance, um ihn zu kämpfen.«
»Schsch.« Grady strich ihr übers Haar »Du hast recht. Wir kümmern uns um ihn. Und wir werden eine Möglichkeit finden, ihm zu helfen.«
»Allerdings.« Sie stieß ihn von sich und wischte sich über die Augen. »Und das Erste, was wir tun, ist, den Hurensohn zu suchen, der auf ihn geschossen hat. Ich will nicht, dass der Mistkerl in der Gegend herumschleicht, solange Phillip hier liegt wie ein Zombie.«
»Ich habe schon daran gearbeitet.« Grady presste die Lippen zusammen. »Sieh mich nicht so erstaunt an. Ich bin derjenige, der Phillip zu dir geschickt hat. Es stand nie außer Frage, dass ich den Schützen jagen würde. Was meinst du, was ich gemacht habe, während du hier im Wartezimmer gesessen hast?«
»Wer war es?«
»Das werde ich bald erfahren.«
Sie verzog den Mund. »Von einer Kristallkugel?«
»Nein, von den Leuten vom Kriminallabor der Atlanta Police. Man hat Reifenspuren von seinem Truck im Sand und Fasern auf der Veranda, auf der er gekniet hat, gefunden.«
»Das ist nicht viel.«
»Aber ein Anfang. Ich habe Kontakte zur CIA, und sie treiben die Ermittlungen voran. Und ich habe mit Michael Travis gesprochen; er meinte, dass er jemanden kennt, der uns vielleicht unterstützen könnte.«
Sie erinnerte sich an den Namen. »Phillip sagte, ein Michael Travis sei Leiter einer Psychic Investigative Group in Virginia. Ich dachte, du brauchst keine Kristallkugel – hast du das vorhin nicht gesagt?«
»Ganz recht. Michael hat von der Atlanta City Hall gesprochen. Seine Kontakte sind nicht beschränkt auf …«
»Freaks.«
»Nenn sie, wie du willst.« Er schaute ihr in die Augen. »Dazu hast du jedes Recht.«
Weil ich eine von ihnen bin, dachte sie niedergeschlagen. »Noch gestehe ich mir das nicht ein.«
»Was? Nicht einmal nach all dem, was du in der Höhle durchgemacht hast?«
»Es könnte nach wie vor ein mentales Problem sein. Ich bin sehr pragmatisch und habe keine Beweise für etwas anderes.«
»Natürlich hast du welche«, erwiderte er harsch. »Akzeptier es, Megan.«
»Erst wenn ich es mir selbst beweisen kann. Ich denke nicht, dass ich schizophren bin. Aber kann ich meinen Instinkten trauen, obwohl mir mein logischer Verstand etwas anderes sagt? Mich gegen das stellen, was mir meine Mutter gesagt hat? Allerdings gibt es für das, was du im Zoo mit mir gemacht hast, keine logische Erklärung. Phillip glaubt das, was du mir erzählt hast, und er hat mich noch nie in die Irre geführt. Ich weiß es einfach nicht.« Sie ballte die Fäuste. »Du hast gesagt, dass die Stimmen gewöhnlich einer emotionsgeladenen Situation entspringen, stimmt das?«
»Ja.«
»Dieses Krankenhaus muss voll mit solchen Echos sein. Warum höre ich sie hier nicht?«
»Ich helfe ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher