Pandoras Tochter
Bericht zu erstatten. Ich habe die Klinik angerufen – man hat ihn im Bellehaven Nursing Home untergebracht. Ich habe Harley gebeten, eine Wache für ihn zu organisieren.«
Sie straffte die Schultern. »Moment mal. Du hattest kein Recht, ohne meine Erlaubnis ein Pflegeheim für ihn auszusuchen. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viele schlechte Pflegeheime es gibt? Ein Koma-Patient ist vollkommen hilflos.«
»Ich würde Phillip nicht in eine Einrichtung stecken, in dem er keine gute Pflege bekommt. Es ist ein ausgezeichnetes Heim. Bellehaven hat in einem Nebengebäude eine Koma-Rehabilitationsabteilung eingerichtet, die von Dr. Jason Gardner geleitet wird. Zwar ist es nur eine kleine Station, aber mit höchstem Standard. Dort lassen sie die Kranken nicht einfach dahinvegetieren. Sie wenden experimentelle Medikamente und Methoden an. Die Patienten bekommen eine Physiotherapie und werden sogar psychologisch ausgewertet. Ich habe mit Gardner telefoniert – er setzt sich leidenschaftlich für seine Patienten ein. Das müsste dir gefallen.«
»Tut es.« Phillip brauchte in seiner dunklen Welt jede Hingabe, die man ihm geben konnte. »Hat er Phillip schon untersucht?«
»Nein, das macht er morgen. Augenblicklich ist der Zustand unverändert. Sie werden uns beide benachrichtigen, wenn bis heute Abend eine Veränderung eintritt – zum Guten oder zum Schlechten. Morgen kannst du dich mit Dr. Gardner in Verbindung setzen. Er hat mir seine Nummer gegeben und gesagt, dass er für Angehörige seiner Patienten jederzeit zu sprechen ist.«
»Das klingt, als wäre er ein guter Arzt, ein guter Mensch.« Und nach einer Weile setzte sie hinzu: »Danke.« Es war schlau von Grady, sie gnädig zu stimmen und an ihre Zuneigung zu der einzigen Person zu appellieren, über die sie ohne Streit reden konnten. »Ich hatte damit gerechnet, dass er erst morgen verlegt wird.«
»Ich wollte, dass er besser untergebracht ist.«
»Damit du ihn von deiner Prioritätenliste streichen kannst?«
»Nein.« Er schaute ihr in die Augen. »Um ihn von deiner zu streichen. Ja, ich wollte, dass er die bestmögliche Pflege erhält, andererseits wollte ich, dass du einen klaren Kopf bekommst. Wenn mich das zu einem Scheißkerl macht, dann soll es so sein.« Er schenkte ihr Kaffee ein. »Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass meine Selbstsucht im Augenblick so wichtig ist, sonst säße ich nicht hier. Jetzt bist du dran, Megan. Warum willst du mich sprechen?«
»Weil du derjenige bist, der mir Antworten geben kann.« Sie umklammerte mit beiden Händen ihre Tasse. »Ich muss mehr wissen.«
»Mehr als was?«
Sie holte ein zusammengefaltetes Papier aus ihrer Tasche und überreichte es ihm. »Als ich in der Höhle war, konnte ich diese Wortfetzen aus der grässlichen Kakophonie heraushören. Das waren die lautesten Echos.«
»Und?«
»Ich musste mich vergewissern, ob das, was du sagst, wahr ist.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt keine Möglichkeit, es schwarz auf weiß zu beweisen, aber ich muss es glauben.« Sie atmete tief durch. »Deshalb habe ich die letzten sechzehn Stunden am Computer die Todesanzeigen durchgesehen – ich wollte Tatsachen, auf die ich mich stützen kann.«
»Und, hast du sie gefunden?«
Sie antwortete nicht direkt. »Es war nicht leicht. Ich hatte keine Daten, die ich hätte eingeben können, und musste alle Hinweise auf den Baggersee seit 1913, dem Gründungsjahr der Lokalzeitung, durchgehen. Ich war nicht mal sicher, ob ich Meldungen oder Berichte über die Ereignisse, die sich dort abgespielt haben, finden würde. Falls es sich um Verbrechen handelte, könnten sie auch im Verborgenen geblieben sein. Und die Zeitung hat auch keinen Grund, über alle persönlichen Tragödien zu berichten.«
»Gar keinen Grund.« Er fixierte sie. »Aber du bist auf etwas gestoßen. Du … warst fündig.« Er tippte auf den ersten Namen auf dem Papierbogen. »Hiram?«
»1922, Hiram Ludlow, ein Arbeiter im Steinbruch stand wegen Mordes an seiner Frau Joanna vor Gericht. Er hat sie nur wenige Meter von der Höhle entfernt von den Felsen gestoßen. Danach suchte er seinen Bruder Caleb und erschoss ihn. Hiram starb 1935 im Gefängnis.«
Grady deutete auf den zweiten Namen. »Pearsall?«
»1944, Kitty Brandell verklagte Donald Pearsall auf Kindesunterhalt für ihre uneheliche Tochter. Sie arbeitete in der Pearsall Teppichfabrik in der Nähe, und als Donald aus dem Zweiten Weltkrieg nach Hause kam, eroberte er Kitty offenbar im
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