Pandoras Tochter
oder nicht. Ich habe viel über Phillip nachgedacht, als ich hier saß. Bis er in mein Leben trat, hat sich, abgesehen von meiner Mutter, niemand um mich gekümmert. Deshalb hat es so weh getan, als ich dachte, dass er mich hintergangen hat. Ich fühlte mich verarscht und dachte, er hätte mir nur Theater vorgespielt.«
»Er hat dich gern, Megan.«
»Das weiß ich. Ich habe es gefühlt. Und das hat nichts mit diesem übersinnlichen Zeug zu tun. Er war … wir waren ein Team. Er hat gesagt, dass er mich gern zur Tochter gehabt hätte. Ich hätte mir das auch gewünscht. Mein Vater starb, bevor ich geboren wurde. Niemand hätte liebevoller sein können als Phillip. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gut er zu mir war.«
»Doch, das kann ich.«
»Klar, du hast uns ja zusammengebracht. Selbst das stört mich jetzt nicht mehr. Das einzig Wichtige ist, dass wir diese Jahre miteinander hatten.« Sie holte tief Luft. »Ich habe Fragen, aber im Augenblick will ich an nichts anderes denken als an Phillip.« Sie musste mit Dr. Pretkay sprechen, dem Spezialisten aus dem Johns Hopkins Hospital, den die Ärzte hinzugezogen hatten, obwohl sie ihr kaum Hoffnung machen konnten. Sie wollten nichts unversucht lassen. »Ich muss nur eins wissen. Diese Kugel war nicht für Phillip bestimmt, stimmt’s? Er hat auf mich gezielt.«
Grady nickte. »Du warst das eigentliche Ziel. Auch wenn der Schütze möglicherweise alle Augenzeugen eliminieren wollte.«
»Und in der Nacht, in der ich vom Highway abgekommen bin?«
»Ein erster Versuch. Wahrscheinlich derselbe Mann.«
»Warum?«
»Der Mann, der deine Mutter getötet hat, will die ganze Familie ausrotten.«
»Was? Das klingt nach Mafia und Vendetta.«
»Molino würde sich bei diesem Vergleich geschmeichelt fühlen. Er ist in Sizilien im Schatten der Mafia aufgewachsen.«
»Molino? Ist er der Mann, der meine Mutter auf dem Gewissen hat?«
»Er hat den Befehl gegeben. Einer seiner Männer hat sie umgebracht – Ted Dagnos.«
»Warum wollte Molino den Tod meiner Mutter?«
»Aus Rache.«
»Rache wofür?«
»Das ist eine lange Geschichte, und du hast gesagt, du möchtest im Moment nicht darüber nachdenken. Ich bin da, um deine Fragen zu beantworten, wenn du bereit dazu bist.« Er musterte sie. »Du hast begriffen, dass ich nicht ihr Mörder bin, oder?«
»Wie gesagt, ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Mir fällt es schwer zu akzeptieren, dass sie umgebracht wurde.« Unsicher fügte sie hinzu: »Aber das muss ich wohl. Auch wenn ich vor zwei Tagen in der Höhle Wahnsinn und Chaos durchlebt habe, glaube ich mittlerweile, dass der Tod meiner Mutter kein Unfall war. Alles andere ist mir noch suspekt. Ich brauche Beweise.« Und mit einem Kopfschütteln fuhr sie fort: »Nein, du hast recht. Jetzt möchte ich mich nicht damit befassen. Aber ich will Antworten haben, Grady. Du solltest dich darauf vorbereiten, da ich sie von dir fordern werde.«
»Jederzeit. Sag mir Bescheid, wenn du etwas Neues über Phillips Zustand erfährst.«
Sie nickte. »Kann nicht mehr lange dauern.«
»Soll ich bleiben?«
Sie sah ihn an. »Nein. Ich kann nicht behaupten, dass mir die Vorstellung, mich auf einen Mann zu stützen, der sich als unaufrichtig und manipulativ erwiesen hat, besonders gut gefällt.«
Er lächelte. »Da ist was dran. Aber ich glaube, du hast keine Angst mehr, dass ich dich weiterhin manipuliere.«
»Das stimmt.« Sie hatte nicht mehr das Gefühl, dass unmittelbar Gefahr von ihm ausging. In den letzten Tagen war er ständig für sie da gewesen und hatte schnell und geschickt alles für Phillip arrangiert. Nie drängte er sich vor – im Gegenteil, er hielt sich still im Hintergrund. »Und du warst nicht derjenige, der am Strand auf mich geschossen hat. Wahrscheinlich hast du mir sogar das Leben gerettet. Ich bin überzeugt, dass du aus selbstsüchtigen Gründen gehandelt hast, aber du willst offensichtlich nicht meinen Tod.«
»Ganz offensichtlich.« Er wandte sich zum Gehen. »Du hast meine Handynummer. Ruf mich an, wenn du mich brauchst.«
»Wohin willst du?«
Er zuckte mit den Schultern. »Du willst mich nicht um dich haben, aber ich muss dich im Auge behalten. Ich bleibe in der Nähe. Melde dich bei mir, und ich bin in fünf Minuten hier. Ich sollte dir sagen, dass ich Jed Harley gebeten habe, gelegentlich nach dir zu sehen. Nicht, dass du ihn für einen von Molinos Killern hältst.«
»Und wer ist Jed Harley?«
»Ich habe ihn angeheuert, damit er auf dich aufpasst.
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