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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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sie sie bei der geringsten Bewegung des Sariel sofort wieder griffbereit haben würden.
    »Hast du einen Beweis, dass er der Sariel ist?«, fragte Li.
    »Er hatte die Bombe«, sagte Liya.
    Wieder eine alarmierte Reaktion der Zhan Shi um sie herum. Nur Li blieb ruhig, und Liya erinnerte sich wieder daran, wie gut er seine Gefühle unter Kontrolle hatte. Er würde eines Tages ein großer Zhan Shi werden. Vielleicht sogar ein Gon Shi.
    »Wo ist die Bombe jetzt?«
    »In meinem Rucksack.«
    Li blickte Liya misstrauisch an. »Handfesseln sind nicht gerade viel.«
    Seine Augen wanderten hinüber zu Sariel und blieben dort. Liya bemerkte zufrieden, dass Sariel dem Blick nicht auswich und seine Furcht nach Kräften unterdrückte.
    »Ich frage mich gerade«, sagte Li langsam, »wer hier wirklich der Gefangene ist.«
    »Willst du damit etwa sagen, dass ich eine Verräterin bin?!«, fauchte Liya gefährlich.
    Li schien unbeeindruckt. »Gib mir den Rucksack. Aber langsam.«
    »Nein!«, sagte Liya. »Er ist mein Gefangener. Ich habe ihn allein quer durch das verschissene Gebirge gebracht. Ich habe diese Bombe die ganze Zeit über sicher bewacht. Ich werde den Sariel und die Bombe nur dem Gon Shi ausliefern.«
    Li hob sein Shi und richtete es auf Liya. »Gib. Mir. Die. Bombe.«
    »Gib sie ihm doch, um Himmels willen!«, zischte Sariel hinter ihr. Doch Liya blieb stur. Sie schüttelte langsam den Kopf und blickte unerschrocken in die Mündung des Shi, das Li auf sie gerichtet hielt.
    »Hör mir gut zu, Li«, sagte sie leise und mit einer plötzlichen Kaltblütigkeit und Schärfe, die sie selbst überraschte. »Ich hab in den letzten Wochen eine Menge durchgemacht. Ich wäre ein paar Mal fast draufgegangen, und dass ich trotzdem noch lebe, verdanke ich unter anderem dem Sariel. Dennoch habe ich ihn gefangen genommen. Ich. Niemand sonst. Und nur ich allein werde ihn nach Orisalaama bringen, ist das klar? Wir werden jetzt langsam weiterreiten. Ihr könnt uns einfach begleiten oder uns wie harmlose Sandspringer abknallen. Aber das würde dir nicht gerade zur Ehre gereichen.«
    Immer noch hielt Li die Waffe auf Liya gerichtet. Die anderen Krieger warteten gespannt ab, was er tun würde. Dann schnalzte Liya einmal kurz mit der Zunge und Biao setzte sich langsam in Bewegung. Allerdings sehr, sehr vorsichtig, als betrete er dünnes Eis. Die ganze Zeit den Blick auf Li gerichtet, ritt sie an ihm vorbei und sah befriedigt und erleichtert, dass er das Shi senkte und seinen Kriegern ein Zeichen gab, ihnen zu folgen.
    Obwohl sie durch die Begleitung der Zhan Shi wie Gefangene wirkten, wurde Liyas Rückkehr nach Orisalaama zu einem Triumphzug. Die Nachricht, dass die Tochter des neuen Gon Shi den Sariel gefangen genommen hatte und dabei war, ihn in die Stadt zu bringen, verbreitete sich wie ein Lauffeuer und trieb die Menschen zu Tausenden in die engen Gassen. Jeder wollte Liya sehen, aber vor allem den Sariel. Neugier vermischte sich mit wohligem Schauder, das Monstrum, das ihr Volk bedrohte, aus der Nähe sehen zu können.
    Doch obwohl Liya ihr Leben lang von diesem Augenblick geträumt hatte, fühlte sie sich nun unwohl und verloren. Sariel saß hinter ihr und schwieg. Liya konnte sich schon denken, warum. Er fürchtete sich vor dem, was kommen würde, und nach dem seltsamen Empfang durch Li war Liya weniger denn je davon überzeugt, dass sie noch für Sariels Leben garantieren konnte. Irgendwie begannen die Dinge, ihr aus der Hand zu gleiten. Immerhin gelang es ihr, hoch aufgerichtet und wie eine echte Siegerin durch die Gassen ihrer geliebten Heimatstadt zu reiten. Sie kannte fast jeden Winkel, und wenn sie hinunter zu den versammelten Ori sah, entdeckte sie auch manches vertraute Gesicht.
    Niemand jubelte jedoch, niemand sagte ein Wort. Stille begleitete Liyas Einzug nach Orisalaama, angespannte, furchtsame Stille. Liya sah, dass die Ori erstarrt waren in Staunen und Fassungslosigkeit. Die ganze Stadt wirkte wie unter Schock, und allmählich begriff Liya, welch uraltes Tabu sie gerade brach. Seit es Ori auf Pangea gab, war nie ein Sariel gefangen genommen worden. Der Sariel musste sterben, das galt als eherne Regel des Überlebens. Und sie wagte es nun, den Sariel persönlich und nur in Handfesseln in das Herz der Gemeinschaft zu bringen. Sie nahm einen Todfeind mit nach Hause und erwartete auch noch Beifall. Mit einem Mal kam sich Liya sehr, sehr dumm vor. Aber es gab kein Zurück mehr.
    »Liya, ich habe Angst!«, flüsterte Sariel hinter

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