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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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müde. Nur seine Bewegungen waren noch genauso entschlossen wie immer. Er kam auf Liya zu und umarmte sie fest und innig.
    »Ich bin so froh, dass du lebst! Ich hab mir solche Sorgen gemacht!«
    Liya erwiderte die Umarmung. Es tat gut, den vertrauten Geruch ihres Vaters einzuatmen. »Ich hab dich vermisst«, sagte sie leise.
    Für einen Moment blieben sie nur so stehen, Vater und Tochter, und hielten sich, als gäbe es sonst nichts mehr auf der Welt, an dem man sich festhalten konnte. Dann löste sich Chuang Shi sanft von ihr und blickte sie an.
    »Du siehst müde aus. Und dünn.«
    »Und schmutzig«, ergänzte sie lachend. »Du musst mich aber nicht wieder wie ein Baby behandeln, hörst du?«
    Chuang Shi deutete auf einen Stuhl. »Das würde ich nicht wagen. Setz dich, wir müssen reden.«
    Liya nahm Platz und ihr Vater setzte sich nah zu ihr. Blickte sie dabei unverwandt an, als fände er in ihrem Gesicht schon die Antworten auf all die Fragen, die ihn bedrängten.
    »Weshalb bringst du den Sariel hierher?«, begann ihr Vater schließlich.
    »Weil ich ihn nicht töten konnte«, antwortete Liya wahrheitsgemäß. »Ich habe es versucht, aber ich konnte es nicht.«
    »Hättest du ihn nicht fesseln und irgendwo zurücklassen können, damit wir uns dann um ihn kümmern?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das schien mir zu riskant.«
    »Aber ihn nur in Handfesseln nach Orisalaama zu bringen, praktisch kurz vor sein Ziel. Das erschien dir weniger riskant?«
    Liya schluckte. »Was willst du damit sagen, Papa?«
    »Gar nichts. Wir wundern uns nur.«
    »Wer ist wir?«
    Chuang Sh! ignorierte die Frage. »Gerade dir hätten wir alle etwas mehr ... Umsicht zugetraut.«
    »Er ist kein brutaler Mörder! Er ist noch nicht einmal ein besonders guter Kämpfer. Er ist in Wirklichkeit ...«, sie senkte verlegen die Stimme, ». sogar ganz nett.«
    Ihr Vater stieß einen ungehaltenen Laut aus. »Ganz nett! Und das aus deinem Mund, Liya! Aber das bestätigt meinen Verdacht.«
    »Welchen Verdacht?«
    »Der Sariel hat irgendetwas mit dir gemacht, damit du ihn hierher bringst. Das war die ganze Zeit sein Plan.«
    »Nein!«, rief Liya. »Ich ...«
    Mit einer Handbewegung schnitt ihr Vater ihr das Wort
    ab, und sein Gesicht nahm wieder jene Härte an, die es immer bei schweren Entscheidungen zeigte. Was Liya nun aber zutiefst beunruhigte, waren das Misstrauen und die lauernde Vorsicht, die sie außerdem entdeckte. Als ob sie eine heimliche Gefahr darstellte. Als ob ...
    ... ich eine Verräterin wäre!
    »Erzähl mir, was passiert ist«, sagte ihr Vater. »Erzähl mir alles. Lass nichts aus, nicht das kleinste, unbedeutendste Detail. Fang am besten mit den Ereignissen am Chui-Riff an.«
    »Du weißt, was am Chui-Riff passiert ist?«, rief Liya überrascht aus. »Wie kannst du das wissen? Sie sind alle tot!«
    Chuang Shi blickte seine Tochter eindringlich an, bemüht, jede Spur von väterlichem Mitgefühl aus seinem Gesicht zu verbannen.
    »Nein, nicht alle. Du lebst ... und Mingan auch.«
    »Waaas???« Liya sprang von ihrem Stuhl auf. »Und das sagst du mir erst jetzt? Wo ist sie? Was ist mit ihr passiert? Ist sie verletzt? Wie ist sie hierhergekommen?«
    »Setz dich, Liya! Mingan ist wohlauf. Sie kam vor vier Tagen mit ihrem Kalmar. Und sie beschuldigt dich des Mordes an den anderen Kriegerinnen deines Trupps.«
    Nach der Hoffnung war sein Zeitgefühl das Nächste, was Sariel verlor. Irgendwann wurde das Oberlicht über ihm dunkel, und irgendwann wurde es auch wieder hell, aber Sariel hätte nicht mehr sagen können, wie lang ein Tag war oder eine Nacht. War ihm auch egal. Die Zeit war Klebstoff, der zäh von den Wänden troff. Die Zeit war sein Feind, mit der Zeit wollte er ohnehin nichts mehr zu tun haben. Danach verlor er bestimmte Körperempfindungen. Seine Beine und Arme schliefen ein, begannen zu jucken und hörten irgendwann auf zu existieren. Taubheit überall. Auch egal. Sariel robbte sich auf das Lager und rührte sich nicht mehr. Das Einzige, was blieb, war der Gestank aus dem Loch.
    Irgendwann sah er flimmernde Lichter vor den Augen und hörte Stimmen neben sich flüstern, böse kleine Stimmen. Irgendwann fing er an, mit den Zähnen zu knirschen und überall zu kratzen. Irgendwann dachte er, dass er nun verrückt werden würde, einfach verrückt. Seltsam klarer Gedanke. Ich. Werde. Jetzt. Verrückt. Er wiederholte die Worte.
    Ich. Werde. Jetzt. Verrückt.
    Die Worte hatten einen geheimen Sinn, einen geheimen Rhythmus. Sariel klopfte

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