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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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ihr.
    »Ich auch. Lass dir nichts anmerken.«
    »Bitte lass mich nicht allein, hörst du! Bleib bloß bei mir.«
    »Keine Sorge. Aber überlass mir das Reden.«
    Das sagte sie so leichthin. Überlass mir das Reden. Was hätte er schon sagen sollen? Die Angst schnürte ihm ohnehin die Kehle zu. Auf der anderen Seite waren Worte das Letzte, was er noch hatte. Und die sollte er nun auch Liya überlassen, die ihn trotz allem immer noch für einen Feind hielt? Sariel versuchte, die lähmende Furcht zu bekämpfen, um handeln zu können, sobald er eine Chance dazu bekäme. Er ahnte, dass es nicht mehr viele sein würden.
    Der Anblick von Orisalaama lenkte ihn ein wenig ab. Fasziniert erkannte Sariel, dass auf Pangea tatsächlich zwei völlig verschiedene Völker lebten. Die Sari waren große, schlanke Menschen mit makelloser Haut, makellosen Zähnen, die ewig jugendlich wirkten. Dagegen sahen die Ori fast aus wie eine bunt gemischte Zirkusattraktion. Es gab Kräftige und Schmächtige, Große und Kleine, Gerade und Krumme. Sariel sah schiefe Nasen, zahnlose Münder, grüne, braune, blaue und sogar rote Augen, kombiniert mit jeder denkbaren Haarfarbe. Die meisten Ori waren eher klein und wenig anmutig, aber Sariel entdeckte hin und wieder auch Mädchen und Frauen von vollkommener Schönheit und Grazie. Sie trugen leichte, schlichte Umhänge und bunte Kleider aus gewebten Naturstoffen. Die Hauptstraße, auf der Sariel mit Liya in die Stadt hineinritt, bestand nur aus gestampftem Lehm und war entsprechend staubig und schmutzig, genauso wie die Ori. Die meisten waren zu Fuß unterwegs und starrten vom Straßenrand zu ihm hinauf. Nicht wenige aber ritten auch auf Tieren, die Sariel nie zuvor gesehen hatte und die größere Verwandte der schneckenartigen Tumbos zu sein schienen. Manche Ori trugen Bündel und Lasten und schoben Karren mit blutigen Tierkadavern durch die Menge. Sariel sah Kinder, die mit seltsamen kleinen Tieren spielten, die ohne Weiteres in jeden Horrorfilm seiner Zeit gepasst hätten. Als hätte ein wahnsinniger Gott in Rage in seine Trickkiste gegriffen und nach Herzenslust Geschöpfe kreiert. Dennoch war Sariel natürlich klar, dass jedes dieser Tiere eine mindestens ebenso lange Evolution hinter sich hatte wie der Mensch und die Säugetiere. Doch der Mensch war ausgestorben am Ende des siebten Tages, und diese Tiere hatten nun ihren angestammten Platz auf Pangea. Am achten Tag der Schöpfung war der Mensch das Fremde. Ein Wesen, das nicht mehr nach Pangea gehörte.
    »Senk den Kopf!«, zischte Liya ihn an, als sie sich einmal nach ihm umdrehte.
    »Wieso?« Sariel begriff nicht.
    »Du bist ein Gefangener, also benimm dich auch so! Zeig Demut! Siehst du nicht, dass sie Angst vor dir haben? Wenn nur einer von ihnen durchdreht, dann ist hier sofort die Hölle los, und niemand kann dir mehr helfen! Also los, Kopf runter!«
    Sariel gehorchte nur widerstrebend. Wenn er schon ein Gefangener war, wollte er doch zumindest wissen, von wem! Also schielte er weiter mit gesenktem Kopf in die Runde.
    Wie im tiefsten Mittelalter, dachte er. Dabei befand er sich doch zweihundert Millionen Jahre in der Zukunft!
    Hin und wieder wagte Sariel auch einen Blick auf Li. Er hatte natürlich bemerkt, dass Liya ihn kannte. Mehr als das, sie hatte zunächst sogar erfreut gewirkt, und jetzt wirkte sie verunsichert. Aus Biaos leicht eifersüchtiger Reaktion schloss Sariel, dass Liya mehr für Li empfand, als ihre schroffen Antworten vermuten ließen. Und das beunruhigte ihn plötzlich mehr als alles andere.
    Immer mehr Zhan-Shi-Krieger stießen zu ihnen und verstärkten die Patrouille. Der ganze Zug endete schließlich vor einem großen flachen Gebäude, das sich durch reiche Ornamente und Friese von den anderen unterschied. Offenbar eine Art Palast, der keinerlei Fenster und nur einen einzigen Eingang besaß. Die versammelten Ori blieben schweigend zurück, als Sariel und Liya, eskortiert von den Zhan Shi, durch den breiten Eingang ritten. Dahinter lag ein weitläufiger Innenhof, der mit einigen baumartigen Pflanzen dekoriert war, die wie dornige Palmen aussahen. Li befahl ihnen, abzusteigen. Kaum hatte Sariel jedoch festen Boden betreten, ergriffen ihn die Krieger und führten ihn rasch in einen Neben trakt des Gebäudes.
    »He!«, schrie Liya empört und wollte dazwischengehen. Aber ein scharfes Kommando von Li brachte sie zum Schweigen. Sariel sagte nichts. Bevor die Krieger ihn fortzerrten, versuchte er noch, einen letzten Blick auf

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