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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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unruhig im Wasser um sich peitschte. Seltsamerweise flaute gleichzeitig der Wind schlagartig ab und das Leben im Steppengras ringsum schien den Atem anzuhalten. Der seichte Fluss zog sich zurück, und die wenigen Tiere, die noch am Ufer standen, verharrten wie gelähmt auf der Stelle. Man hörte nur noch das dumpfe, unterirdische Grollen. Das Zittern des Bodens verstärkte sich, rollte wie eine Welle vom Vulkan aus auf Sariel zu und erschütterte die Savanne jetzt mit heftigen Stößen, wie von einer gewaltigen Faust, die von unten gegen die Erdkruste wummerte.
    »Keine Sorge, das ist nur ein Erdbeben. Gibt es hier öfter. «
    »Ich dachte, der Ngongoni sei längst erloschen.«
    »Ist er auch.«
    »Das passt nicht zusammen, Liya - ein erloschener Vulkan und Erdbeben. So viel hab ja sogar ich noch aus Erdkunde behalten.«
    »Na, du musst es ja besser wissen - Sariel.«
    Sariel beachtete Liyas ätzenden Tonfall nicht. Irgendetwas beunruhigte ihn plötzlich sehr. Mehr als der Gedanke an Mingan, mehr als die Zhan Shi, die sie verfolgten, und mehr als die Raubtiere, die überall auf sie lauerten. Mit dem Erdbeben, das jetzt mit schwerem Dröhnen direkt unter ihm durchrollte und ihn fast von den Beinen riss, kam die Ahnung von etwas Großem. Einer neuen Form von Bedrohung, viel endgültiger als alles andere. Sariel erinnerte sich wieder an die Träume, die er in seinem alten Leben kurz vor seiner Entführung gehabt hatte. Das gleiche Gefühl von einem Riss, der in der Welt klaffte und sich knirschend weiter öffnete. Und aus dem Riss quoll etwas empor aus entsetzlichen Tiefen; etwas, das alles verschlingen würde, alles Leben, die ganze Welt.
    So plötzlich, wie es begonnen hatte, endete es auch. Das Erdbeben flaute abrupt ab und in der gleichen Sekunde setzte der Wind wieder ein, der Fluss kehrte zurück und die Tiere am Ufer flüchteten quiekend in die Savanne.
    »Das war kein Erdbeben«, sagte Sariel bestimmt.
    »Sondern?«
    »Ich habe keine Ahnung. Aber was immer es war, es kam vom Vulkan. Und das ist ohnehin unser Ziel. Schätze also, wir werden es bald erfahren.«
    In diesem Augenblick spürte Sariel, dass Biao ihm ein deutliches Signal schickte, vielleicht etwas mitteilen wollte, und der Stärke der Empfindung nach handelte es sich geradezu um einen Schrei. Eine Warnung. Einen Hilferuf.
    Den Sariel aber nicht verstand.
    Er konnte nur zu dem Kalmar gehen und ihm beruhigend über die glänzende Haut streichen. »Ruhig, Dicker. Ganz ruhig. Du hast mir das Leben gerettet. Alles okay. Ganz ruhig.«
    »>Ich wünschte, ich könnte bei euch sein.«
    »Bist du doch.«
    »>Ich meine, richtig.«
    »Ich hab nicht den Eindruck, dass das für Biao irgendeinen Unterschied macht.«
    Er hatte das nur so dahingesagt. Doch im gleichen Moment wurde ihm bewusst, wie recht er damit hatte. Für Biao war es egal, ob Liya vor ihm stand oder irgendwo im Nichts feststeckte. Solange sie lebte, war sie da. Womöglich erstreckten sich Biaos Sinne über Raum und Zeit. Wenn man einen Verschütteten retten will, muss man vor allem wissen, wo man suchen soll. Wenn seine Vermutung zutraf, dann gab es vielleicht wirklich einen Weg, Liya noch lebend aus dem Nichts zurückzuholen.
    »So ein schöner Tag«, sagte er laut.
    »Schön, dass du noch Witze machen kannst.«
    Sariel grinste und machte sich daran, Feuerholz zu suchen.
    Es war bereits dunkel, als das Feuer vor dem Druckluftzelt brannte. Sariel hatte die Stelle so gewählt, dass der Feuerschein nach Süden hin so gut wie möglich abgeschirmt wurde. Ansonsten hoffte er, dass der Lagerplatz am Fluss tief genug lag, um unentdeckt zu bleiben.
    Mit Einbruch der Nacht verstärkten sich die Geräusche ringsum. Mit der Nacht begann das eigentliche Jagen und Töten in der Siringit. Sariel hörte das Brüllen der Ghule, das heisere Kläffen der Watus und das panische Quieken der Rasselrücken. Noch vor wenigen Wochen hätten ihm diese Laute eine Todesangst eingejagt. Seit heute war es anders. Er spürte den Geist des Nimrods bei sich, seine Sinne horchten wach und ohne Furcht auf die Gefahren der Nacht.
    Das Shi immer griffbereit, briet Sariel kleine Fleischstücke und Mondtränen an einem Stock. An Mondtränen hatte er sich inzwischen gewöhnt und der widerliche Geruch des Nimrodfleischs verflog tatsächlich im Feuer. Durchgebraten erinnerte der Geschmack entfernt an Hammel. Nicht dass Sariel Hammel je besonders gemocht hätte. Aber er war hungrig genug, und mit jedem Bissen dachte er daran, dass die

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