Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
Vom Netzwerk:
nie etwas anderes getan, als in der Siringit zu jagen. Der Nimrod flog heran, ein gewaltiger Sprung von über zehn Metern. Noch in der Hocke wirbelte Sariel herum, riss das Shi aus dem Anschlag, richtete es auf den heranfliegenden Schatten und drückte ab.
    Er hatte keine Zeit, genau zu zielen, und er hatte nur einen Versuch. Der Nimrod war groß und ausgewachsen. Ein weibliches Tier, Anführerin eines großen Rudels. Es hatte in seinem Leben schon viele Kämpfe und Verwundungen überlebt. Sariel sah den Tod auf sich zufliegen, groß und glänzend, und gab einen Schuss ab.
    Er sah nicht mehr, wie Biao einen quiekenden Laut von sich gab und sein Fangtentakel durch die Luft zischte.
    So ein schöner Tag, war das Letzte, was Sariel dachte, und dass er Liya noch etwas hatte sagen wollen, unbedingt. Dann traf ihn bereits der Körper des Nimrods schwer und hart und warf ihn zu Boden. Sariel kam gar nicht mehr dazu, die Arme schützend vors Gesicht zu reißen. Es hätte auch nichts genutzt. Unfähig zur Gegenwehr, wartete er auf den tödlichen Biss.
    Der nicht kam.
    Das gewaltige Tier lag regungslos und schwer auf Sariels Brust und quetschte ihm die Luft ab. Sariel brauchte ein paar Sekunden, bis er begriff.
    Dass er getroffen hatte. Dass er lebte. Dass Liya immer noch schrie, irgendwo im Nichts.
    Mit Händen und Füßen strampelte er sich hastig frei, um den massigen Körper loszuwerden. Biao war plötzlich da und riss ihn mit seinem Fangtentakel unter dem Tier weg in Sicherheit. Immer noch das Shi in der Hand, sprang Sariel panisch auf die Füße. Wie im Reflex lud er das Shi wieder durch und richtete es keuchend auf den Nimrod. Im gleichen Moment erkannte er, dass er nicht mehr schießen musste, und ließ die Waffe sinken. Er hatte das Tier genau an seiner ungeschütztesten Stelle getroffen. Der Eisdorn war aus nächster Nähe und mit immenser Wucht geradewegs in den aufgerissenen Rachen des Nimrods eingedrungen und hatte den gepanzerten Kopf durchschlagen. Das Nimrodweibchen war noch im Flug gestorben.
    Ein guter Schuss. Trotzdem wurde Sariel beim Anblick des toten Tieres schlagartig übel. Die Knie sackten ihm weg und er übergab sich auf der Stelle.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    Sariel hockte auf allen vieren am Boden, würgte, keuchte vor Übelkeit und merkte dennoch erstaunt, wie weich Liyas Stimme sein konnte. So weich wie die Bewegung des Steppengrases.
    »Ja, ich bin okay.« Sariel spuckte ein letztes Mal aus und richtete sich wieder auf.
    »Ich bin froh, dass du lebst.«
    »Kein Wunder.«
    »Du bist so ein Blödmann, weißt du das?« Aber der Ton, in dem sie das sagte, war immer noch genauso sanft wie eben.
    »Ich hab noch nie vorher getötet.«
    Sie sagte nichts. Sariel wusste, dass Liya bereits oft gejagt hatte. Und er wusste, dass er sehr bald ebenfalls jagen musste, wenn er überleben wollte. Er hatte getötet und würde es wieder tun müssen. Er hoffte nur, dass es nie ein Mensch oder ein Kalmar sein würde.
    »Für das erste Mal war es ein ziemlich guter Schuss. Du solltest den Nimrod zerteilen und etwas von seinem Fleisch mitnehmen. Es riecht zwar ekelhaft, aber gut durchgebraten ist es ganz genießbar, ohne dass man gleich kotzen muss.«
    »Danke, kein Bedarf.«
    »Doch!«, sagte sie entschieden. »Du musst es tun, wenn du in nächster Zeit nicht jagen willst.«
    Also überwand er sich und nahm das Tier unter Liyas sachkundigen Anweisungen aus. Liyas scharfes Messer fuhr mühelos durch den gepanzerten Unterleib. Mit einem widerlichen Geräusch quollen die Eingeweide heraus. Sariel erinnerte sich an Bilder von Tierdärmen, aber was ihm hier stinkend entgegenglibberte, erinnerte nicht im Entferntesten an Organe, wie er sie kannte. Das gesamte Innere des Nimrods schien aus einem einzigen Organ zu bestehen, das sich nur an verschiedenen Stellen durch Farbe und Maserung unterschied. Sariel wunderte sich, dass es kaum Blut gab.
    »Wirf es weit weg«, sagte Liya. »Es ist nicht genießbar und lockt nur Gigamiten an.«
    Gott sei Dank, dachte Sariel und begann damit, das Tier abzuziehen. Mit zügigen Schnitten trennte er die Haut von den Muskeln. Es ging leichter, als er dachte. Als der Nimrod abgehäutet und rosig vor ihm lag, erklärte ihm Liya, wo sich die genießbarsten Teile befanden und wie er sie von den Knochen ablösen sollte. Sariel hatte endgültig genug von der Schlachterei. Das Tier tat ihm plötzlich leid. Es war geboren worden und gewachsen. Es hatte Junge bekommen und sie versorgt. Es hatte

Weitere Kostenlose Bücher