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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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gekämpft und gejagt und gelebt. Sariel bedauerte nicht, es getötet zu haben, er fand nur, dass er ihm noch etwas schuldig war. Und ohne dass er je davon gelesen oder gehört hätte, tat er das, was bereits die ersten Jäger der Menschheit getan hatten, als sie sich aus ihren Höhlen gewagt und nur mit Speeren und Keulen Jagd auf Bären und Mammuts gemacht hatten: Er bat das Tier um Verzeihung. Er ging in die Hocke und legte das Messer vor sich auf den Boden. Biao sah ihm aufmerksam dabei zu und schien irgendwie zu verstehen.
    »>Was machst du?«
    »Lass mich mal bitte für einen Augenblick allein, ja?«
    Sie schwieg. Schien offenbar auch an Biaos Stimmung zu spüren, dass irgendetwas vorging, was unbedingt Schweigen erforderte.
    Sariel blickte auf den gehäuteten Nimrod. Das Tier schien fast auf etwas zu warten, um endgültig nicht mehr dieser Welt anzugehören. Es dauerte eine Weile, bis Sariel die richtigen Worte fand. Worte der Beschwörung wie schon vor Urzeiten.
    »Ich danke dir«, sagte er mit trockenem Mund. »Ich konnte nicht anders. Ich gebe zu, ich bin stolz, dass ich dich getötet habe. Du warst groß und stark und gefährlich. Jetzt fühle ich mich groß und gefährlich, und vielleicht musste ich dich töten, um die Aufgabe bewältigen zu können, die mir bevorsteht. Dafür danke ich dir. Und wenn ich dich um etwas bitten dürfte: Bleib bei mir, mach mich weiterhin stark und gefährlich. Dafür verspreche ich dir etwas. Ich werde nie deine Jungen töten. Niemals.«
    Sariel schwieg. Er fand, dass alles gesagt war.
    »>Schön gesprochen«, durchbrach Liya nun die Stille. »>Richtig ergreifend.«
    »Danke. Es musste sein.«
    »>Dann hast du wohl jetzt ein Totem.«
    »Ja«, sagte Sariel ernst und erhob sich. »Sieht wohl so aus.« Er blickte Biao an, der im seichten Wasser des Baches lag und alles ruhig und aufmerksam verfolgte. Sariel konnte seine Zustimmung geradezu körperlich spüren. Mehr noch. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass der Kalmar ihn als einen Freund betrachtete, und auch das erfüllte ihn mit großem Stolz. Ein guter Tag, trotz allem. Entschlossen trat er an den Nimrod heran und brach mit dem Messer die beiden mächtigen Säbelzähne aus dem Kiefer, rieb sie an seiner Kleidung sauber und verstaute sie sorgfältig in Liyas Satteltasche. Irgendwann, wenn Zeit dazu war, würde er sich daraus eine Kette machen, Zeichen seiner Stärke und seiner Verbundenheit mit allen Nimrods.
    Danach war der Bann gebrochen. Sariel beeilte sich, löste nur wenige Fleischstücke aus und legte sie auf die umgedrehte Haut des Tieres. Die ganze Zeit überwachte Biao die Stelle, schickte seine Sinne in alle Richtungen, um Sariel rechtzeitig vor einer nahenden Gefahr warnen zu können.
    »Ich kann nicht alles mitnehmen«, sagte Sariel, als das Fleisch des Nimrods vor ihm lag. »Es wird doch im Nu verderben.«
    »Pack die Stücke in Mondtränen und wickele das Ganze in den Kyrrschal. So hält das Fleisch eine gute Woche und es verbessert auch den Geschmack.«
    Sariel folgte Liyas Anweisungen und verzurrte das Vorratspaket auf dem Sattel. Inzwischen war die lange Dämmerung von Pangea angebrochen. Innerhalb der nächsten Stunde würde es dunkel und damit zu gefährlich sein, um weiterzuziehen. Auch Mingan würde rasten müssen und ihren Vorsprung nicht weiter ausbauen können. Biao plätscherte im brackigen Flusswasser und füllte seine Flüssigkeitsspeicher auf. Seinen genüsslichen Bewegungen verrieten immer noch, dass seine Vorfahren vor Jahrmillionen im Meer gelebt hatten.
    Er ist wirklich ein Tintenfisch!, dachte Sariel und begann, das Druckluftzelt an der Stelle zu errichten, an der auch Mingan campiert hatte. Als er seinen Wasserschlauch im Fluss gefüllt hatte, berührte die Sonne im Westen den Horizont und tauchte den Ngongoni in goldenes Abendlicht. Von Süden rollte ferner Donner heran und die ersten Abendgewitter flammten auf. Über dem breiten Krater des erloschenen Vulkans jedoch hatten sich die ewigen Wolken weitgehend verzogen und gaben nun den Blick auf den Kraterrand frei. Es mochte eine optische Täuschung des Abendrots sein -aber für einen Moment hatte Sariel den Eindruck, dass etwas aus dem Krater herausleuchtete. Dann war die Erscheinung vorbei. Kurz darauf spürte er, dass der Boden unter seinen Füßen zitterte, und hörte gleichzeitig ein schweres Grollen, wie das Ächzen eines alten Mannes. Alarmiert warf Sariel einen Blick auf Biao, der es ebenfalls spürte und mit seinen Tentakeln

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