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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Sariel hatte sie schon vor einer Weile bemerkt. Zuerst waren es nur ein paar gewesen, aber inzwischen füllten sie fast den gesamten Horizont aus. Ohne Zweifel Zhan Shi. Sie waren inzwischen auf seine Spur gestoßen und verfolgten ihn nun mit all ihren Kriegern. Es mussten Tausende sein. Sariel schätzte, dass sie den Vulkan selbst bei größter Geschwindigkeit nicht vor Morgengrauen erreichen konnten, doch spätestens dann würde er Schutz brauchen.
    Oder einen guten Plan. Oder beides.
    Da aber im Augenblick weder das eine noch das andere aus heiterem Himmel zu erwarten war, bestieg Sariel wieder den Kalmar und ritt mit ihm durch das hohe Gras geradewegs auf den nahen Nebelwald zu. Dabei folgte er weiter dem Trampelpfad, den Mingans Kalmar hinterlassen hatte. Offenbar war Mingan in großer Eile gewesen und hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen. Das beunruhigte Sariel, dennoch vermied er es, Biao weiter anzutreiben. Das Land stieg jetzt bereits deutlich an. Das Savannengras wich kurzen, dornigen Büschen und war mit Lavafelsen durchsetzt, auf denen vereinzelt Mondtränen wuchsen. Sariel sprang sofort von Biao ab, kratzte den Pilz mit blanken Händen von den Felsen und verschlang ihn auf der Stelle. Biao machte es nicht anders. Einigermaßen gestärkt erreichten sie auf diese Weise die Waldgrenze.
    Der Wechsel war abrupt. Der Wald wuchs wie eine Mauer vor ihm aus dem Boden, dicht und abweisend. Auf der einen Seite weite Steppe, wenige Meter dahinter bereits nur noch schier undurchdringliches Dunkel. Dicht belaubte Bäume mit verschlungenen Stämmen, die womöglich alle nur Teile einer einzigen gewaltigen Riesenpflanze waren, die den halben Berg umspannte. Eine andere Welt. Eine große Nebelbank hüllte Sariel ein und zog ihn mit sich in den Wald. Sariel sah nur noch den Trampelpfad vor sich, fasste seine Machete fester mit der Rechten und folgte ihm geradewegs ins Dunkel hinein.
    Nach wenigen Metern bereits jedoch verließ ihn aller Mut. Panik ergriff ihn, als würde er unter Wasser getaucht. Mit einem Schlag verschwand nahezu alles Licht. Eine Welt voller satter Grün- und Blautöne, durchweht von eisigem Nebel. Die Temperatur fiel schlagartig um über zehn Grad ab. Gleichzeitig war die Luft so feucht und schwer wie Öl, dass Sariel keuchend um Atem rang und nach wenigen Augenblicken am ganzen Körper schwitzte. Sariel verspürte nur noch einen einzigen übermächtigen Impuls - den Wald auf der Stelle zu verlassen!
    »>Beruhige dich!«, hörte er Liyas Stimme plötzlich wieder. »>Das ist normal. Das ist immer so, wenn man den Wald betritt. Es geht nach einer Weile vorbei.«
    »Ich schaff das nicht! Ich muss hier raus! Sofort!«
    »Nein, du musst weiter. Es geht vorbei, glaub mir! Du musst deinen Atem kontrollieren. Atme flach! Beruhige dich!«
    Sie hörte nicht auf, auf ihn einzureden, immer wieder die gleiche Beschwörungsformel: Beruhige dich! Atme flach!
    Sariel musste sich zwingen, nicht zu schreien, und brauchte alle Kraft und Konzentration, um Liyas Anweisungen zu befolgen.
    Beruhige dich. Atme flach.
    Und es half. Nach einer Weile fiel das Atmen schon leichter, und die Panik, die sich wie eine Faust um sein Herz gepresst hatte, ließ allmählich von ihm ab.
    »Geht's wieder?«
    »Ja. Danke.«
    »Du musst weiter, Sariel. Du darfst jetzt nicht zögern.«
    Er wusste, dass sie recht hatte, und setzte seinen Weg langsam fort. Geschmeidig und fließend bewegte sich der riesige Kalmar durch das grünblaue Labyrinth. Die Nebelbank, die Sariel anfangs eingehüllt hatte, zog rasch weiter. Licht fiel nun durch das Blättergeflecht, und Sariel bemerkte, dass der Wald viel weniger undurchdringlich war, als er zuerst angenommen hatte. Er konnte jetzt auch unterschiedliche Baumarten ausmachen. Das machte den Wald ein wenig vertrauter, auch wenn er immer noch keine einzige Pflanze wiedererkannte. Der Weg führte jetzt in weiten Windungen steil aufwärts. Sariel wusste nicht mehr, ob sie noch Mingans Spur folgten, aber immerhin stimmte die ungefähre Richtung: aufwärts. Der Boden war weich, bedeckt mit einem festen Humuspolster, doch zwischendurch ragten immer wieder große Lavafelsen heraus. Einige Bäume waren abgestorben und kahl. Eine Mondtränenart hatte wie ein Parasit von ihnen Besitz ergriffen, sie ausgelaugt und hing in dichten, schleimigen Placken von ihnen herab. Biao rupfte die großen Placken mit seinem Fangtentakel im Vorbeigehen ab, stopfte sie sich ins Maul, schlürfte sie aus und spie

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