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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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müssen los!« Sariel erhob sich abrupt.
    »Denkst du zwischendurch auch noch an mich?«
    Sariel schwang sich mit einem geübten Zug auf Biaos Rücken und richtete seinen Blick auf den nahen Nebelwald. »Ich denke die ganze Zeit an dich«, sagte er schlicht und merkte nicht einmal, dass er damit fast nebenbei die erste Liebeserklärung seines Lebens gemacht hatte.
     

Nebelwald
    Am Morgen des nächsten Tages erreichten sie wieder fruchtbares Savannenland. Sie waren ununterbrochen durchgeritten und Biao zeigte immer noch keinerlei Anzeichen von Erschöpfung. Sariel hatte vergeblich versucht, auf seinem schwankenden Rücken etwas Schlaf zu finden. Immer nur für kurze Momente war er eingenickt und aufgeschreckt, wenn Biaos Fangtentakel ihn mal wieder vor einem Absturz bewahrte. Seit Anbruch der langen Morgendämmerung auf Pangea folgte Sariel nun einer halb verwehten Kalmarspur in der verbrannten Erde. Er war sicher, dass sie von Mingan stammte, denn nach dem Feuer hatte er keinen einzigen wilden Kalmar weit und breit gesehen und die Spur führte geradewegs Richtung Osten zum Vulkan.
    Mit Erreichen des unverbrannten Bewuchses stieg jedoch wieder die Gefahr durch Angriffe wilder Tiere oder einen Hinterhalt von Mingan. Daher legte Sariel zunächst eine Pause ein, um sich zu orientieren. Zu essen hatte er längst nichts mehr. Die letzte Ration Mondtränen hatte er sich am Abend zuvor mit Biao geteilt und danach Liyas Notration aus ihrem Beutel verschlungen. Hungrig war er trotzdem immer noch. Durstig vor allem, sehr durstig. Bis zum Kraterrand würde es noch ein anstrengender Weg werden, der ohne Wasser und Nahrung nicht zu schaffen war. Aber schließlich barg der Ngongoni das größte bekannte Vorkommen an Mondtränen, war also praktisch eine Art Schlaraffenland. Liya hatte Sariel erklärt, dass der Vulkan nur auf seiner Wetterseite mit Wald bewachsen war. Die anderen Flanken, die nicht in Sariels Blick lagen, würden völlig von den Mondtränen beherrscht. Sariel rechnete also damit, dass er in Kürze seine Vorräte wieder auffrischen konnte.
    Falls er so weit kam.
    Der Gipfel des Vulkans lag wie immer in Wolken. Darunter konnte Sariel jetzt Einzelheiten des dichten Regenwaldes erkennen, jedoch keine Tiere oder Menschen. Die Wolkenberge am Fuße des Ngongoni wurden vom Wind immer wieder aufwärtsgetrieben und regneten auf halber Höhe zum Krater in heftigen Gewittern ab. Noch auf die Entfernung fuhren ihm die Donner durch Mark und Bein und die Blitze ließen für Sekunden die gesamte Silhouette des Berges erkennen.
    Sariel hatte jedoch wenig Sinn für das atemberaubende Naturschauspiel. Er machte sich vielmehr Sorgen, weil er nun ohne Regenschutz unterwegs war. Er hatte zwar Liyas Kyrrschal, aber der schränkte seine Bewegungsfreiheit gefährlich ein. Liya hatte ihn bereits mehrfach vor den Wald-Ori gewarnt. Die Wald-Ori hatten sich offenbar kurz nach der Ankunft der Menschheit in der neuen Zeit abgespaltet. Sie lebten in den dichten Waldregionen am Ngongoni und beschränkten ihren Außenkontakt auf gelegentlichen Tauschhandel und kleine Überfälle auf unvorsichtige Karawanen. Wald-Ori lehnten kategorisch jede Art von Technik ab und waren innerhalb von drei Generationen bereits so verwildert, dass sie den Ori nicht weniger fremd als die Sari waren. Liya hatte keine gute Meinung von Wald-Ori. Ihr zufolge waren Wald-Ori zu allem fähig, und Sariel wollte nicht so kurz vor dem Ziel sterben, nur weil er sich nicht schnell genug aus dem schützenden Schal wickeln konnte. Hieß also, dass er wohl oder übel in der Höhe frieren und immer eine Hand an der Machete haben musste. Der Nimrod, den er getötet hatte, war eine Sache, aber der Gedanke, sich womöglich gegen angreifende Menschen verteidigen zu müssen, verursachte Sariel starke Übelkeit.
    »Hast du Angst?«
    »Eine Scheißangst«, gestand Sariel.
    »Hätte ich auch.«
    »Ich will nicht sterben, Liya. Vielleicht ist es blöd, so was zu sagen, aber wenn ich so darüber nachdenke, wird es mir ganz klar. Ich. Will. Nicht. Sterben. Und ich will auch niemanden umbringen müssen, verstehst du das?«
    »Du musst mir nichts erklären, Huan. Mir würde es genauso gehen.«
    »Aber wir haben wohl keine Wahl, was?« Sie schwieg eine Weile.
    »Du hast wir gesagt. Das ist schön.«
    Sariel nickte müde, als stünde sie vor ihm und könnte ihn sehen. Er wandte sich wieder nach Westen um, wo man längst eine lange Reihe schwarzer Punkte im flirrenden Hitzeglast erkennen konnte.

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