Pangea - Der achte Tag
bringen. Der Ort liegt weit weg, und ich hab gezögert, weil ich unbedingt noch mit Liya sprechen wollte. Wenn ich meinen Auftrag sofort erfüllt hätte, würde sie noch leben.«
»Aber sie lebt!«, rief Sariel aus. »Also, ich meine ... es gibt noch eine Chance, dass sie lebt!«
»Das ist doch Schwachsinn!«
Sariel erzählte ihm, was nach Liyas Verschwinden passiert war. Er berichtete von ihrer Stimme und dass sie ihn geführt und beschützt hatte. »Ich lüge nicht!«, beteuerte er.
»Selbst wenn«, sagte Li, immer noch zweifelnd. » Aber dann hast du dir das alles nur eingebildet.« Er stand vorsichtig auf, immer noch etwas wackelig auf den Beinen. »Ich bringe euch beide jetzt zurück nach Orisalaama, da wird man weitersehen.« Er steckte die Zeitmaschine in Mingans Rucksack zurück, warf ihn sich auf den Rücken und griff nach seinem Shi.
»Li!«, rief Sariel beschwörend. »Ich kann nicht mit dir kommen!«
Lis Blick verdüsterte sich wieder. »Was soll das heißen?«
Sariel erhob sich ebenfalls und kam nun ganz nah an Li heran. »Hältst du mich immer noch für einen Feind?«
»Du bist der Sariel.«
»Das habe ich nicht gefragt. Ich frage dich, ob du mich für einen Feind hältst.«
Li zögerte. Die Antwort fiel ihm offensichtlich nicht leicht.
»Nein. Aber ich traue dir trotzdem nicht. Du bist der Sariel. Mein Auftrag ist, dich zu töten. Aber du hast mir das Leben gerettet. Also gut, ich lasse dich laufen. Du kannst gehen. Aber ohne die Zeitmaschine.«
Sariel stöhnte. »Ich weiß, dass du mich nicht magst. Vielleicht weiß ich sogar, warum. Aber das spielt keine Rolle. Wenn wir Liya retten wollen, dann musst du mir die Zeitmaschine geben!«
»Damit du doch noch deinen Auftrag erledigen und unsere Lebensgrundlage zerstörst kannst?«
»NEIN, UM LIYA ZU RETTEN, VERDAMMT!«, schrie Sariel.
»Und wie willst du das tun?«
Sariel atmete aus und wandte den Blick ab. Plötzlich fühlte er sich müde und sehr allein. »Ich hab keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich mit der Zeitmaschine hoch zum Krater muss. Ich muss. Da oben wartet etwas auf mich. Ich träume schon mein ganzes Leben davon. Es gibt keinen anderen
Weg. Vielleicht werde ich dort oben wissen, was ich tun muss. Vielleicht auch nicht. Aber du musst mir glauben, dass ich den Ori niemals schaden würde.«
Die beiden Jungen standen einen Augenblick nur so voreinander, während Mingan am Boden bereits vergeblich versuchte, sich aus ihren Fesseln zu befreien.
»Mein Volk würde mir das niemals verzeihen.«
»Vertrau mir!«, sagte Sariel. »Bitte!«
Li warf einen Blick auf Mingan und sah dann wieder Sariel an. Mit einer kurzen, entschlossenen Bewegung riss er sich den Rucksack vom Rücken und hielt ihn Sariel hin. »Ich muss vollkommen verrückt sein, dass ich das tue.«
Sariel nahm den Rucksack und schulterte ihn entschlossen. »Da wo ich herkomme, wäre ich froh gewesen, wenn ich so einen Freund wie dich gehabt hätte.« Damit wandte er sich um und setzte ohne ein weiteres Wort, ohne Abschied oder Gruß, den Aufstieg zum Krater fort, den er vor langer, langer Zeit, wie ihm schien, einmal begonnen hatte. Auch Li sagte nichts mehr. Aber Sariel spürte plötzlich ein schwaches warmes Gefühl hinter sich und wusste, dass Li die Hand zum Abschied erhoben hatte.
Gestrandet
Keiner der wenigen nächtlichen Spaziergänger und Jogger bemerkte das nackte Mädchen, das hustend und prustend ans Ufer paddelte und sich hastig im hohen Schilf versteckte. Dort verbrachte Liya Stunden, bis sie kaum noch Menschen in ihrer Nähe wahrnahm und sich vorsichtig herauswagte. Sie hatte Angst, natürlich hatte sie Angst, aber sie verlor nicht den Kopf. Immerhin war sie nicht tot, und sie war in einer Welt gelandet, in der Menschen lebten. Das war schon mal etwas. Liya war gewohnt, mit Gefahren zu leben und praktisch zu denken. Als Erstes brauchte sie etwas zum Anziehen, um nicht zu erfrieren. Dann musste sie herausfinden, wo sie war. Danach vielleicht etwas zu essen organisieren, und erst dann konnte sie sich darum kümmern, ob es eine Chance gab, in ihre Zeit zurückzukehren.
Geübt durch das Leben in der Savanne, schlich Liya unbemerkt aus dem Schilf. Das Ufer stand voller Buden und kleiner Häuser, die aber verschlossen waren und unbewohnt wirkten. Um sich die Stelle zu merken, an der sie ans Ufer gekommen war, malte Liya das Symbol aus ihrem Buch in den Schmutz der Seitenwand einer Bude. Am nächsten Tag würde Huan dieses Symbol entdecken. Auch die
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