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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Zeitvögel würden es sehen und es wieder auswischen. Aber das wusste Liya nicht. Für sie war es nur eine Orientierungsmarke.
    Dann schlich sie geduckt an den seltsamen Hütten vorbei. Im Gebüsch unter einem Baum entdeckte sie das Zelt eines Penners, der dort seinen Rausch ausschlief und nicht bemerkte, wie ihm ein fünfzehnjähriges Mädchen einige Kleidungsstücke und sogar ein altes Küchenmesser stahl.
    In den zu großen Sachen des Penners, die Liya mit Stricken zusammenband, erkundete sie weiter ihre Umgebung. Sie befand sich immer noch im Alsterpark, aber rings um sie herum war Lärm und Licht. Liya hatte noch nie eine Stadt gesehen und überlegte einen Moment, ob sie womöglich in Sar-Han gelandet war. Aber auch diesen ein wenig hoffnungsvollen Gedanken verwarf sie, als sie auf eine Straße mit Autos stieß und die ersten beleuchteten Reklametafeln sah, deren Schrift sie nicht lesen konnte. Auch sahen die Menschen nicht wie Sari aus. In der Ferne, am anderen Ufer des Sees, in dem sie aufgetaucht war, standen hohe Häuser, höher als alle Häuser, die Liya kannte. Und überall war Licht, überall waren Menschen. Eine laute, helle, stinkende Welt. Liya bewegte sich sehr vorsichtig und immer im Schutz von Bäumen und Büschen. Trotzdem fiel das seltsame Mädchen in der Pennerkleidung einigen nächtlichen Passanten auf. Ein Streifenwagen hielt plötzlich neben Liya und ein Polizist sprach sie an. Liya floh sofort zurück in den Alsterpark. Die Polizisten folgten ihr mit Taschenlampen. Panisch versteckte sich Liya in einem Gebüsch und traute sich erst hinaus, als sie die Lichtkegel nicht mehr sah.
    Die Nacht verging schneller, als Liya es von Pangea gewohnt war. Die Sonne ging auf, kündigte einen strahlenden Maitag an, und Liya wurde klar, dass sie dringend ein Versteck für den kommenden Tag brauchte. Sie wünschte sich, dass sie jemanden um Hilfe bitten könnte, aber weder wusste sie, in welcher Sprache, noch, wem sie überhaupt trauen konnte. Sie dachte einen Moment an den Mann im Zelt, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Männer, die alleine in Zelten campierten, bedeuteten meist Ärger. Immerhin begriff Liya nach dem ersten Schock, dass sie offenbar in Sariels Zeit gelandet war. Unterwegs hatte er ihr viel von seinem Zuhause erzählt und alles passte zusammen. Also dachte Liya, dass sie es irgendwie zu Sariels Eltern schaffen musste. Wenn sie ihnen von ihm erzählte, würden sie ihr vielleicht helfen. Das Problem war nur, dass Liya keine Ahnung hatte, wo sich Sariels Eltern befanden. Sie erinnerte sich nicht mehr an den schier unaussprechlichen Namen seiner Stadt und ahnte auch nicht, dass sie keine fünfhundert Meter von Sariels Elternhaus entfernt war. Sie ahnte noch nicht einmal, dass Huan selbst ganz in der Nähe gerade seinen Kater suchte.
    Die Welt, in der sie gestrandet war, war für Liya ebenso fremd und bedrohlich wie Pangea einst für Sariel. Aber Liya war eine Zhan Shi, eine Kriegerin. Sie war in der Savanne aufgewachsen und hatte die Regenschattenwüste durchquert. Sie wusste, wie man in der Wildnis überlebte. Und nur darum ging es - zu überleben.
    So verbrachte Liya den ganzen Tag im Schutz des Schilfs. Hunger hatte sie nicht und ihren Durst konnte sie direkt in der Alster löschen. Den ganzen Tag lag sie still und regungslos und wartete auf die Nacht. Nur hin und wieder wagte sie einen vorsichtigen Blick und spähte fasziniert über die größte Wasserfläche, die sie in ihrem Leben je gesehen hatte. Sie hatte gar nicht gewusst, dass es so viel Wasser auf einen Fleck geben konnte. Die Menschen in Sariels Zeit mussten sehr glücklich sein.
    Auf dem Wasser fuhren seltsame Vehikel unter großen, bauschigen Tüchern. Darin saßen zwei oder drei Menschen und wirkten tatsächlich sehr glücklich. Am Ufer erspähte Liya den ganzen Tag über Menschen. Einige hatten vierbeinige Tiere dabei, die sie teilweise an Stricke angebunden hatten. Die Tieren machten laute Geräusche und tollten um die Menschen herum. Zweimal drang so ein Tier auch zu ihr vor und schlug laut an. Liya zog sich ängstlich noch tiefer ins Schilf zurück und fürchtete, nun entdeckt zu werden. Aber beide Male wurden die Tiere zurückgerufen und gehorchten augenblicklich.
    Gegen Nachmittag sah sie, dass die Hütten in der Nähe aufgeschlossen wurden. Kurz darauf drang der Geruch von gebratenem Fleisch zu ihr herüber. Dazu sehr laute, rhythmische Geräusche, die Liya Angst machten und sie an Trommeln erinnerten. Die Hütten

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