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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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kleine Wassermenge im Bruchteil einer Sekunde in einen Eisdorn und schoss ihn mit mehreren hundert Bar ab. Die Waffe hatte eine Reihe von Vorteilen. Sie war leicht, nahezu geräuschlos, sehr treffgenau bis auf fünfzig Meter und nach dem Schuss praktisch sofort wieder schussbereit. Liya hatte bereits mit einem Shi gejagt und kannte daher auch den größten Nachteil der Waffe: die Windempfindlichkeit des Eisdorns. Starker Wind verringerte die Treffgenauigkeit erheblich und zwang den Schützen, sich sehr nah an sein Ziel heranzupirschen.
    Liya war eine ausgezeichnete Schützin. Sie hatte etliche Wettbewerbe gewonnen, auch gegen ihre Brüder. Dennoch würden Leisi und Llao sich morgen ihre Shis kaufen dürfen und nicht sie.
    Liya spürte eine schwache Vibration, die von der Kopfhaut ihres Kalmars ausging. Offensichtlich stimmte etwas nicht. Liya betrachtete Biao als Gefährten und Freund. Als ein Lebewesen, dem sie sehr nahestand. Auch wenn sie nicht mit ihm reden konnte. Seit Generationen suchten die Ori nach Wegen, die Bewegungen und emotionalen Signale der Kalmare in Sprache zu übersetzen. Bislang vergeblich. Liya war überzeugt, dass es niemals gelingen würde. Kalmare kommunizierten eben nicht durch Wörter, sondern durch Gefühle. Dennoch war Liya überzeugt, dass die Kalmare viel zu sagen hatten.
    Über das Leben. Über Pangea.
    Was hast du, Kleiner?, dachte Liya beunruhigt und konzentrierte sich stärker auf Biao, den sie liebevoll und respektlos >Kleiner< nannte. Die Vibration auf seiner Kopfhaut verstärkte sich und Liya empfing nun auch ähnliche Signale von den anderen Kalmaren.
    Was beunruhigt die Kalmare?
    Liyas Vater hatte es ebenfalls bemerkt und gab Anweisungen, das Tempo zu verschärfen. Das ließen sich Liyas Brüder nicht zweimal sagen. Für ihren Geschmack bewegte sich die Karawane ohnehin viel zu langsam. Als Kuriere und Kundschafter besaßen Leisi und Liao die schnelleren Kalmare, eine etwas kleinere und sehr anmutige Gattung. Reinrassige Rennkalmare waren höchst selten. Da bei den Ori Züchtungen oder gar genetische Manipulationen strengstens verboten waren, existierten zahlreiche Mischformen, von denen einige zumindest schneller waren als ein gewöhnlicher Wüstenkalmar. Die Kalmare ihrer Brüder dagegen waren Vollblüter. Und sie wollten rennen.
    Liya sah, wie Leisi und Liao ausscherten und sich in hohem Tempo von der Karawane entfernten. Liya selbst verspürte keine Lust, ihren Kalmar anzutreiben. Biao war eher der langsame, bedächtige Typ. Liya schätzte das, sie mochte seine Zuverlässigkeit und Sensibilität.
    Beim Anblick der beiden Rennkalmare dachte Liya an das Meer, das sie noch nie gesehen hatte. Sie stellte es sich als einen paradiesischen, aber auch Furcht einflößenden Ort vor. Über die Sari und ihre Stadt wurden an den Lagerfeuern viele Geschichten und Schauermärchen erzählt.
    Dass die Sari das Fleisch ihrer Kinder aßen, weil sie in ihrer Stadt eingesperrt waren. Dass sie mit Blicken töten konnten. Dass sie niemals starben.
    Liya glaubte nichts von alledem, dennoch waren ihr die Sari unheimlich. Niemand wusste etwas Genaues über sie, denn kein Ori hatte je ihre Stadt betreten. Sicher war nur so viel: Die Sari konnten aus irgendeinem Grund nicht aus ihrer Stadt heraus. Und die Sari schickten den Sariel, um die Quelle der Mondtränen zu vernichten. Das allein reichte, um sie zu hassen und zu fürchten.
    »Liya!« Der Ruf ihrer Mutter riss Liya aus ihren Gedanken. Jetzt erst merkte sie, dass sie mit dem langsamen Biao zurückgefallen war. Liya stieß einen kurzen Fluch aus. Das hätte ihr nicht passieren dürfen. Ihre Mutter ritt bereits auf sie zu und drängte sie mit ihrem Kalmar wieder in die Reihe zurück.
    »Liya! Träumst du? Was soll das!«
    »Entschuldigung«, nuschelte Liya. »Hat Papa das gesehen?«
    »Zum Glück nicht. Sonst könnte ich die Steine zu Sand reden und es würde nichts mehr an seiner Entscheidung ändern.«
    Liya stöhnte.
    »Hier, damit du auf andere Gedanken kommst«, sagte ihre Mutter und reichte ihr Lou, ihren zweijährigen Bruder. »Nimm ihn mal eine Weile.«
    Liya zog ein Gesicht. »Muss das sein? Er scheißt mir nur den Sattel voll.«
    Aber ein Blick ihrer Mutter genügte, um jeden Widerspruch zu ersticken. Liya übernahm ihren kleinen Bruder und setzte ihn vor sich in den Sattel. Sofort krallte sich der Kleine wie ein Alter am Sattel fest und fing an, wie am Spieß zu brüllen. Liya verdrehte genervt die Augen. Ihre Mutter lachte hell, gab

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