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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Junge auch gewesen war - eine echte Garantie, dass er den richtigen Landezeitpunkt gesehen hatte, gab es nicht. Es gab weniger als das, es gab nur eine Vermutung. Die Sari, gewohnt, die Welt genau zu berechnen, mussten etwas tun, das sie aus ganzer Seele verabscheuten: Sie mussten schätzen. Sie mussten sich auf den Traum eines pickeligen Ori-Jungen verlassen.
    Und sie mussten noch etwas anderes tun, das sie zutiefst verabscheuten.
    Es war eine schmerzhafte Entscheidung, aber am Ende war sie einstimmig. Man trat in Verhandlungen mit den Ori und vereinbarte schließlich, dass zwei Millionen Ori mit in die Zukunft genommen wurden. Das war weniger als ein Prozent aller Ori, aber zu mehr waren die Sari nicht bereit. Es bedeutete schließlich, dass sie selbst nur fünf kleinere Städte evakuieren konnten.«
    »Warum haben sie die Ori überhaupt mitgenommen?«, fragte Huan. »Sie kannten den Zeitpunkt doch bereits. Sie hätten die Ori doch einfach bescheißen und zurücklassen können.«
    Lin-Ran blickte Huan ernst an und ein Schatten von Missbilligung huschte über sein Gesicht. »So sind wir aber nicht. Wir sind keine gefühllosen Rechenmaschinen ohne Moral und Anstand. Die Besten unter uns sind Philosophen. Wir haben nicht nur die Zeitreise erfunden, sondern auch eine hochkomplexe Ethik, der wir uns alle verpflichtet fühlen. Und Kern dieser Ethik ist, dass wir unsere Versprechen einhalten. Findest du das vielleicht dumm? Oder altmodisch?«
    Das war offensichtlich keine Frage. Huan schüttelte dennoch den Kopf.
    »Ob Sari oder Ori - wir sind immer noch Menschen. Der Untergang der Menschheit stand kurz bevor, und man hatte gemeinsam einen Weg gefunden, sich zu retten, wenigstens zum Teil. Die Ori hatten ihren Teil zur Rettung beigetragen, also sollten sie auch mitkommen dürfen. Das war die Entscheidung.«
    »War ja nur eine Frage«, nuschelte Huan.
    Der Graue beruhigte sich wieder. »Am 16. Dezember 3684 deiner Zeitrechnung, vier Monate vor dem Aufprall, war es dann so weit. Du kannst dir die technische Meisterleistung nicht vorstellen, die unsere Vorfahren vollbracht haben. Die Ausmaße einer Zeitturbine waren atemberaubend, und die Energiemengen, die sie verschlang, waren es ebenso. Dennoch bauten unsere Vorfahren fünf davon. Fünf Städte wurden ausgewählt, Sar-Khor, Sar-Pho, Sar-Han, Sar-Xi und Sar-Fen. Wer zufällig in einer dieser Städte lebte, hatte Glück, trotzdem war die Freude gedämpft. Denn erstens würden alle anderen Sari in den übrigen vierzig Städten sterben und zweitens konnte das ganze Unternehmen immer noch scheitern. Noch nie war ein so gewaltiger Zeitsprung gewagt worden und jeder dachte natürlich auch an das rätselhafte Schicksal der verschollenen Zeitvögel. Aber man wagte es.
    In den Wochen vor dem großen Sprung versammelte sich die vereinbarte Anzahl von Ori mit ihrer gesamten Habe vor den fünf Städten. Es wirkte wie eine mittelalterliche Belagerung. Als die Ingenieure und Wissenschaftler meldeten, dass die Turbinen bereit waren, drückte der oberste Kontaktor einen unscheinbaren grauen Knopf. Daraufhin baute sich um jede Zeitturbine herum ein gewaltiges Kraftfeld aus einer Strahlung auf, die in deiner Zeit noch nicht bekannt war. Das Typische an dieser Strahlung war, dass sie dazu neigte, zu >verklumpen<. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Ein ausreichend großes Kraftfeld bildete regelrechte Blasen. Wie warme Luft, die eine Zeit lang am Boden wabert, sich dann ablöst, aufsteigt und dabei Feuchtigkeit, Staub, Papier und leichtere Schwebeteile mitnehmen kann. Nur dass diese Strahlungsblasen nicht in die Höhe aufstiegen - sondern in die Zeit. Und dass sie stark genug waren, ganze Städte mitzureißen.
    Als die Turbinen wenige Sekunden nach dem Start ihre volle Leistung erreicht hatten, hüllten fünf gewaltige RaumZeit-Blasen die Sari-Städte mit den davor lagernden Ori ein. In weitem Umkreis um die Städte war aus Sicherheitsgründen alles evakuiert worden. Die verschwundenen Städte würden ein großes Vakuum hinterlassen. Die umgebende Luft würde schlagartig mit Schallgeschwindigkeit nachströmen. Dieser Sturm hatte die Gewalt einer gigantischen Bombe. Nichts in der Nähe konnte ihm standhalten. Wäre dennoch ein leichtsinniger Beobachter zurückgeblieben, hätte sich ihm ein erhabenes Schauspiel geboten. Die Städte mit ihren Zeltlagern davor flirrten plötzlich, dann verloren sie alle Farbe, wurden geradezu durchsichtig. Und dann, von einem Augenblick auf den anderen, waren

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