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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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ordnen, das verstehe ich. Bleib eine Weile bei uns und lerne unsere Welt besser kennen. Vielleicht gefällt sie dir ja. In jedem Fall wirst du besser verstehen, warum wir das alles tun müssen. Wir wissen nicht, wie viele Sariel es überhaupt je auf der Welt gab. Vielleicht bist du der Letzte. Alles, worum wir dich bitten, ist deine Hilfe.«
    Huan verstand, dass auch dies eine Antwort war.
    Auf die Frage, ob sie ihn auch zurückschicken würden, wenn er sich verweigerte.
    Die Antwort war Nein.
     

Wut
    Biao war es, der Liya allmählich ins Leben zurückholte. Wenn sie ihn wie mechanisch fütterte, rieb er seine Tentakel zärtlich an ihr, rollte sich zusammen und stieß kleine schmatzende Laute aus. Seine Körperfarbe wechselte jetzt rasch, bunte Flecken und Punkte, um Liya aufzuheitern. Ein warmes Gefühl übertrug sich von dem Kalmar auf Liya, und allmählich kehrte die Welt zu ihr zurück und erinnerte sie daran, weshalb sie hier war.
    Liya traf eine Entscheidung. Wenn sie schuld war am Tod ihrer Mutter, dann musste sie diese Schuld irgendwie abtragen. Musste dem letzten Wunsch ihrer Mutter folgen und der Gemeinschaft etwas geben. Wenn nötig, ihr Leben.
    Es war bereits Abend, als Liya nach drei Tagen zum ersten Mal den Dian verließ. Die zentrale Herberge für Karawanen war ein zweistöckiges Gebäude mit winzigen Zimmerchen, Kalmarställen, Gasträumen, Fluren und kleinen Innenhöfen, in denen sogar Dandas wuchsen, die mit ihren großen roten Blättern Schatten spendeten. Der Dian war so groß und verwinkelt, dass Liya sich bei ihren ersten Besuchen mehrfach verlaufen hatte, trotz ihres guten Orientierungssinns. Wegen der Hitze und der Sandstürme gab es in Ori-Nho-Yuri kein Haus, das mehr als zwei Stockwerke hatte. Platz gab es jedoch genug, also erstreckte sich die Oase mit ihren zweihunderttausend Einwohnern über eine schier unüberschaubare Fläche.
    Liya merkte auf einmal, wie hungrig sie war. In den letzten Tagen hatte sie nichts weiter als dünnen Mondtränentee zu sich genommen. Jetzt bekam sie plötzlich Appetit auf ein ordentliches Stück Mondkacke, wie man gegrillte Mondtränen nannte. Der Appetit auf Fleisch war ihr seit dem Angriff der Feuerspucker gründlich vergangen.
    Von einem der Männer aus der Karawane erfuhr Liya, dass ihre Brüder bereits in ihrem Lieblingstreffpunkt saßen, einer verrufenen Spelunke. Der kleine Lou war in die Obhut einer Amme gegeben worden.
    Liya kannte die Spelunke, wo Leisi und Liao am liebsten verkehrten, und wusste auch, warum: Mädchen. Für einen jungen Ori, der oft wochenlang mit seiner Karawane umherzog, gab es kaum Gelegenheiten, Mädchen kennenzulernen. Liya machte sich nicht viel aus Jungs. Sie fand sich zu klein und zu hässlich und wollte sich das auf keinen Fall auch noch von einem Jungen bestätigen lassen. Sie verspürte wenig Lust, sich zu verlieben und zum Idioten zu machen. Zumal sie das, was sie bislang über dieses Gefühl gehört hatte, bereits für ihren Kalmar empfand. Das reichte.
    Ein widerlicher Gestank schlug Liya entgegen, als sie das Lokal betrat. Eine Mischung aus Schwefel, Moder und Kloake. Der unverwechselbare Geruch der Wald-Ori aus den dichten Wäldern am Ngongoni. Nur selten verirrten sie sich in die großen Siedlungen und noch seltener nach Ori-Nho-Yuri. Wald-Ori mochten es feucht. Und Wald-Ori bedeuteten meistens Ärger. Sie stahlen und soffen und ließen keinen Streit aus. Liya hatte nie verstanden, wie das Leben innerhalb einer Wald-Ori-Gemeinschaft überhaupt funktionieren konnte, ohne dass sie sich gegenseitig die Schädel einschlugen. Vermutlich hatten sie einfach robuste Schädel.
    Liya erfasste die Situation sofort. Um einen groben Holztisch in einer hinteren Ecke der Schenke saßen neun Wald-Ori zusammen, fraßen, soffen und langweilten sich offensichtlich. Sie starrten die ganze Zeit zu Leisi und Liao hinüber, die mit zwei Mädchen dasaßen und sich bemühten, von den Wald-Ori keine Notiz zu nehmen. Liya fragte sich, warum der Wirt überhaupt Wald-Ori in seine Schenke ließ, aber schließlich hatte das Lokal nicht umsonst einen zweifelhaften Ruf. Und das Gesetz der Gastfreundschaft, ein Grundpfeiler der Ori-Kultur, galt auch für Wald-Ori.
    Es fiel Liya schwer, ihren Blick von den Wald-Ori abzuwenden. Es würde Ärger geben, daran bestand kein Zweifel. Was Liya aber viel mehr elektrisierte als die Anwesenheit von Wald-Ori, waren zwei junge Zhan Shi, die etwas abseits zusammensaßen und die Wald-Ori im Auge behielten. Sie

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