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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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abwehrte. Eine Drehung und sie trat dem Nächsten mit vollem Schwung gegen das Bein und hörte das Knacken seines Wadenbeinknochens.
    Leisi und Liao wehrten zwei weitere ab, die besinnungslos auf sie einprügelten. Liya packte ihnen von hinten in die Haare und knallte ihre Schädel zusammen. Es gab ein hässliches Geräusch und die beiden Wald-Ori gingen stöhnend in die Knie. So viel zur Frage, was ihre Schädel aushalten, fuhr es Liya durch den Kopf.
    Der Kampf war ebenso schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Liya packte sich den Wald-Ori, der sie angebrüllt hatte, und setzte ihm den Spitzdolch an die Kehle. »Jetzt noch mal zum Mitschreiben: Ich. Komme. Nicht. Rüber. Ist das klar?«
    Der Wald-Ori gurgelte einen unverständlichen Fluch.
    »Und noch was«, zischte sie ihm ins Ohr. »Nenn mich niemals Ding!« Damit stieß sie den Wald-Ori von sich. Die anderen acht rappelten sich stöhnend auf und zogen grunzend ab. Liya trat einem von ihnen in den Hintern und brüllte ihm nach: »Haut ab! Verpisst euch!«
    Die neuen Freundinnen ihrer Brüder kamen wieder unter dem Tisch hervor. »Ja, verpisst euch!«, riefen sie den Wald-Ori unisono nach und zwinkerten Liya zu. Liya fand die beiden plötzlich gar nicht mehr so unsympathisch.
    Leisi und Liao tupften sich Blut aus Nase und Mundwinkel und grinsten Liya an.
    »Was ist? Essen wir noch was?«, fragte Liya gut gelaunt.
    Leisi machte eine Kopfbewegung. »Da will dich noch jemand sprechen.« Liya wandte sich um. Die beiden Zhan Shi standen jetzt vor ihr.
    »Ja, bitte?«, fragte Liya, immer noch aufgeladen von ihrem Triumph.
    »Liya, die Tochter von Chuang Shi?«, fragte der ältere der beiden Zhan Shi.
    Kein Gruß. Liya hatte bereits Zhan Shi in der Jurte ihres Vaters getroffen und jedes Mal eine tiefe Bewunderung empfunden, denn für sie verkörperte jeder Zhan Shi die Erfüllung ihres Lebenstraums. Daher wurde sie sofort nervös, als der eine ihren Namen nannte. Und sie reagierte wie immer, wenn irgendwas oder irgendwer sie nervös machte.
    »Wer will das wissen?«, schnappte sie ruppig zurück, obwohl sie wusste, dass sie damit gegen alle Regeln des Anstands verstieß. Wenn man von einem Zhan Shi angesprochen wurde, stellte man keine Gegenfragen.
    Der Ältere tat, als habe er die Frage überhört. »Du bist schnell«, sagte er.
    »Sehr schnell«, sagte der Jüngere.
    »Weiß ich«, erwiderte Liya.
    Der Jüngere konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Der Ausdruck des Älteren dagegen gefror beinahe zu Eis. Er sah gut aus, fiel Liya plötzlich auf. Sehr gut sogar. Sie wurde etwas verlegen. Der Ältere dagegen blieb unbewegt und kühl. Er nickte nicht einmal.
    Arroganter Mistkerl, dachte Liya. Sie fragte sich, was er von ihr wollte. Sie hatte gegen keine Regel der Kaste verstoßen und die Zhan Shi waren außerdem keine Ordnungsmacht. Solange Liya kein Mitglied war, hatten sie ihr nichts zu befehlen.
    »Was wollt ihr?«, fragte sie barsch und bemerkte die besorgten Blicke ihrer Brüder.
    »Komm mit!«, befahl der Mistkerl.
    »Wohin? Warum?«
    »Komm mit und stell keine Fragen.«
    »Nein. Ich komme nicht mit.«
    Zum ersten Mal zeigte der Mistkerl eine Regung. Er runzelte ungehalten die Stirn. Der Jüngere wurde unruhig.
    »Mach keinen Scheiß!«, raunte ihr Leisi zu.
    Liya wusste, dass sie sich jede Chance verbaute, in der Kaste aufgenommen zu werden, wenn sie der Anweisung nicht Folge leistete. Gleichzeitig aber sträubte sich immer irgendetwas in ihr, Befehle ohne Erklärung zu befolgen. Sie hatte ständig Streit mit ihrem Vater deswegen.
    »Der Gon Shi will dich sprechen«, ließ sich der Mistkerl schließlich herab, ihr zu antworten.
    Der Gon Shi. Der Oberste Krieger der Oase.
    Liya bekam weiche Knie und fühlte, dass sie blass wurde. Die beiden Zhan Shi bemerkten es wohl auch, denn sie wirkten äußerst befriedigt.
    »Gut«, erklärte Liya so huldvoll wie möglich. »Ich komme mit.«
    Der ältere Krieger verzog spöttisch die Mundwinkel, wandte sich abrupt um und verließ ohne einen weiteren Kommentar die Spelunke. Der Jüngere beeilte sich, ihm zu folgen.
    »Oh, oh! Das gibt Ärger!«, unkte Liao leise. Dieses Gefühl hatte Liya allerdings auch. Sie winkte ihren Brüdern noch einmal und ging dann den beiden Zhan Shi hinterher. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an ihre Vorahnung. Auch ihre Brüder würde sie so bald nicht wiedersehen.
    Vielleicht nie wieder.
    Mit dem mulmigen Gefühl im Magen, gleich für eine große Dummheit bestraft zu werden, trat sie ins Freie.

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