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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Krankenhaus. Und wie dort verneigten sich die Menschen, denen sie begegneten, ehrfurchtsvoll vor Huan, grüßten ihn und blickten ihm lange nach.
    Jeder erkannte ihn.
    Huan stellte keine weiteren Fragen mehr, sondern folgte Eyla in dichtem Abstand, atmete ihren Duft und ihre Wärme und streifte manchmal wie unabsichtlich ihre Seite. Er kam sich lächerlich vor. Sie hatte ihn geküsst und es hatte ihm gefallen. Es hatte ihn elektrisiert! Unter normalen Umständen hätte er jetzt ihre Hand nehmen können, wie ein richtiges Paar. Aber nichts war normal, und Huan befiel wieder die alte Schüchternheit, die er mehr an sich hasste als seine geringe Körpergröße oder seine Stimme auf Band.
    Eyla führte ihn in einen großen Saal, dessen einzige Einrichtung aus einem Stuhl bestand.
    »Wird das jetzt eine Prüfung oder so was?«
    »Nein!«, lachte Eyla. »Eine Begrüßung! Setz dich.«
    Huan würgte seine Nervosität hinunter und setzte sich auf den einsamen Stuhl. »Und jetzt?«
    »Sitzt du bequem?«
    »Einigermaßen. Und jetzt?«
    »Bist du bereit?«
    Huan hatte keinen Schimmer, ob er bereit war. Beziehungsweise wozu. Aber er war neugierig.
    »... bereit.«
    Eyla berührte seine Schulter. »Denk immer daran, dass ich die ganze Zeit bei dir bin.« Dann machte sie eine Handbewegung und die Wände des Saals verschwanden.
    Verschwanden einfach. Einfach so. Alle vier Wände und die Decke. Huan kam gar nicht mehr dazu, sich zu wundern, wohin so große Wände innerhalb von Sekunden verschwinden konnten, geschweige denn, den Mechanismus zu verstehen. Was er verstand, war nur noch, dass er in der nächsten Sekunde auf einer Art Bühne saß. Aus dem Nirgendwo rings um ihn flammten zahllose Sonnen auf und tauchten ihn in buntes Licht. Gleichzeitig brach um ihn herum die Hölle los.
    Es mussten Tausende sein. Zehntausende. Hunderttausende. Sie waren überall, vor ihm, hinter ihm, zu allen Seiten. Ein endloses Meer von Menschen, und er, Huan, befand sich mittendrin. Im selben Moment, als das Licht aufflammte, brandete frenetischer Jubel aus Millionen Kehlen auf.
    Ein einziger gewaltiger Jubelschrei. Der Schrei einer großen Erlösung.
    »SAAAARIIIIEELLL!«
    Der Schrei fuhr ihm wie ein Schlag in die Glieder, dass er am ganzen Leib zitterte. Der Stuhl drehte sich langsam in alle Richtungen. Und Huan erkannte, dass er sich auf der Bühne des größten Stadions befand, das Menschen je gebaut hatten. Es erstreckte sich über sein gesamtes Gesichtsfeld und wuchs am Rand in die Höhe. Zwei Millionen Menschen, die Hälfte der Einwohner von Sar-Han, saßen und standen im Kreis um ihn herum und verfolgten jede seiner Regungen und Bewegungen auf riesigen, hauchdünnen Folien, die frei in der Luft hingen.
    »SAAAARIIIIEELLL!«
    Huan hatte noch nie so viele Menschen auf einen Haufen gesehen. Allein die schiere Masse schockierte ihn. Eyla stand die ganze Zeit hinter ihm und nahm ihre Hand nicht von seiner Schulter. Ihr schien die Menschenmenge nichts auszumachen. Eylas Hand war das Einzige, was Huan unter dem donnernden Jubel noch spürte. Gedanken oder Gefühle hatte er nicht mehr.
    Er existierte einfach nicht mehr.
    »SARIEELLL! SARIEELLL! SARIEELLL! SARIEELLL!«
    Sie skandierten seinen Namen. Rhythmisch, pulsierend und stoßend wie ein einziges großes Herz, das statt Blut einen Namen pumpt. Seinen Namen.
    »SARIEELLL! SARIEELLL! SARIEELLL! SARIEELLL!«
    Da vergaß der einsame fünfzehnjährige Junge, dass er in einer fernen, unendlich fernen Zeit einmal Huan gewesen war. Von nun an hieß er Sariel.
    Sariel verlor jegliches Zeitgefühl. Er hatte keine Ahnung, ob er bereits Stunden oder erst Minuten auf der Bühne saß. An dem Jubel ließ sich das nicht erkennen, denn der nahm kein bisschen ab. Sariel wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
    »Steh auf!«, rief ihm Eyla von hinten gegen den Lärm ins Ohr. »Sie wollen dich sehen!«
    »Und dann?«
    »Keine Angst! Sie lieben dich!«
    Mit zitternden Beinen stand Sariel auf und der Jubel schwoll zu einem ohrenbetäubenden Brausen an.
    »Sag was!«, brüllte Eyla hinter ihm.
    »Wie denn bei dem Lärm!?«
    »Heb die Hand!«
    Sariel gehorchte und mit einem Schlag ebbte das millionenfache Dröhnen ab. Wie ausgeknipst. Das plötzliche Schweigen traf Sariel fast genauso wie der Lärm des Jubels. Er räusperte sich. Versuchte ein Grinsen. Musste plötzlich dringend. Und wusste nicht, wohin mit seinen Armen.
    »Hallo zusammen.«
    Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Millionenfaches Raunen war die Antwort,

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