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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Frequenz mitschwingen. Als ob sein Körper die unhörbare Musik nicht empfange - sondern selbst erzeuge. Er war Instrument und Resonanzkörper zugleich.
    Der Saal, in dem die Sari tanzten, dampfte vor Feuchtigkeit, und es roch nun intensiv nach Schweiß und gebratenem Fleisch.
    »Saaarielll! Saaarielll! Saaarielll!«, skandierten die Sari, als sie Sariel erkannten, ohne allerdings ihren Tanz zu unterbrechen. Diesmal schockierte ihn der Jubel nicht mehr.
    »Willst du was essen?«, rief ihm Eyla zu. Sariel nickte. Der Fleischgeruch hatte seinen Appetit geweckt. Mehr als das -er hatte einen Mordshunger! Eyla führte ihn zu einem Stand, an dem ein junger Sari in Eylas Alter Fleischstücke grillte. Sariel glaubte es zunächst nicht, aber der Sari grillte tatsächlich Fleisch!
    »Was ist das für Fleisch?«, rief Sariel Eyla zu.
    »Ziege!«, erwiderte Eyla. »Die einzigen Tiere, die noch erlaubt sind. Es ist streng verboten, sie zu schlachten. Aber wir sind ja auch nicht irgendwer.«
    »Wen meinst du mit wir?«
    Eyla deutete mit einer weiten Geste auf die tanzenden und herumstehenden Sari, die ihn und Eyla unverhohlen beobachteten. »Wir sind alles Kinder von Mitgliedern des obersten und mittleren Rates. Sie können uns alles verbieten - aber sie können uns nicht bestrafen!«
    Sie lachte und reichte Sariel ein Stück gebratenes Ziegenfleisch. Sariel war zu hungrig, um zu protestieren, und verschlang das Stück mit wenigen Bissen. Eyla machte es ihm nach und schob ihm gleichzeitig ein zweites Stück in den Mund.
    »Ich bin verrückt danach! Du kannst so viel essen, wie du willst! Du bist der Sariel!«
    »Wie viel Ziegen gibt es denn überhaupt noch?«
    »Ich glaube, so an die dreißig.«
    Dreißig Ziegen für die ganze Menschheit! Sariel legte das dritte Stück, das sie ihm bereits reichte, vorsichtig zurück auf den Grill.
    »Danke, ich glaub, ich hab genug.«
    »Dann lass uns tanzen!«
    Sie zog ihn in das Zentrum des tanzenden Pulks. Sariel
    hatte in seinem früheren Leben vor zweihundert Millionen Jahren nie gern getanzt. War ihm zu peinlich gewesen. Hatte er nicht gut draufgehabt. Aber nun war alles ganz leicht, der fremde Pulsschlag übernahm die Kontrolle über seinen Körper, drang ein in alle Gliedmaßen und zwang ihm seinen Rhythmus auf. Gleichzeitig vergaß Sariel, wer und wo er war. Zwar nahm er die anderen Tanzenden um sich herum noch wahr, aber nur noch als Teile eines größeren Ganzen, dessen tieferer Sinn hinter einem fernen Nebel lag.
    Irgendwann reichte ihm jemand ein Glas Nglirr. Eyla. Er trank es in einem Zug und tanzte weiter. Irgendwann trank er noch ein Glas und tanzte weiter. Irgendwann wurde er müde und merkte, dass Eyla nicht mehr in seiner Nähe war. Das ernüchterte ihn so weit, dass er sich wackelig durch die Menge lavierte und an den Rand der Tanzfläche stellte.
    Damit nahm er allmählich sich selbst und seine Umgebung wieder bewusst wahr. Eyla war verschwunden. Sariel konnte sie nirgends entdecken.
    Ein Mädchen stand plötzlich neben ihm und reichte ihm ein frisches Glas Nglirr. Sie sah sehr schön aus. Nicht ganz so schön wie Eyla, fand Sariel, aber immer noch sehr schön.
    »Gruß Sariel!«, sagte sie und kam nah an ihn heran. »Willst du tanzen?«
    »Hab gerade.«
    »Dann setzen wir uns, ja?«
    Sie lotste ihn in eine Ecke mit Sitzkissen, die sich den Körperformen bei jeder Bewegung anpassten und in denen man sich so leicht fühlte wie unter Wasser, und drängte sich dicht an ihn.
    »Ich heiße Sho.«
    »Sho.« Sariel wiederholte den Namen. »Sho. Sho. Sho.« Er kicherte und das Mädchen Sho kicherte zurück und flößte ihm Nglirr mit ihrem Mund ein. Mit ihrem Mund!
    Irgendwann war Sho verschwunden und zwei Sari sprachen auf ihn ein. Er verstand nicht, was sie sagten, es klang kompliziert und klug und geschwätzig und Sariel starrte sie nur an. Irgendwann war ein anderes Mädchen bei ihm und tanzte vor ihm, dann war Sho wieder da und scheuchte alle weg. Sie versuchte, ihm irgendwas zu sagen. Fragte ihn, ob er mit ihr kommen wolle. Wollte er. Aber er konnte sich kaum noch bewegen. Also blieb er sitzen. Irgendwann musste er sich übergeben.
    Danach fühlte er sich besser.
    Eyla war immer noch nicht wieder aufgetaucht. Sariel suchte in der Menge der Tanzenden und entdeckte sie schließlich. Sie tanzte mit einem anderen Jungen. Mit einem Blick, der irgendwo weit in der Ferne hing, schwer und unerreichbar. Der Junge, mit dem sie tanzte, war größer als die meisten hier und etwas älter.

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