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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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eine Frage der Zeit.
    Sariel blickte panisch die Felswände hinauf. Kein Ausweg. Nicht die geringste Möglichkeit, sich vor dem Kalmar zu verstecken. Sariel sammelte seine letzten Kräfte, zog sich noch einmal den kostbaren Rucksack strammer und lief weg, so schnell er konnte. Aber der Kalmar hatte nicht die geringste Mühe, das Tempo zu halten, und holte ihn immer wieder ein. Bis er offenbar wirklich genug von dem Spiel hatte und Sariel beide Fangtentakel schwer auf die Schultern drückte. Sariel ging sofort in die Knie und erwartete den Tod in der nächsten Sekunde. Er hoffte nur, dass es schnell gehen würde.
    Aber der Kalmar hatte augenscheinlich nicht die Absicht, ihn zu töten. Stattdessen dirigierten ihn die beiden Tentakel jetzt zu einer Felsspalte, die sich nach oben hin verjüngte und in etwa sechs Metern Höhe in einem Haarriss endete. Die Spalte war eng, aber sie schien tief in den Fels hineinzuführen, denn Sariel konnte kein Ende erkennen. Der Kalmar hatte ihn an den Eingang einer Höhle geführt und schubste ihn nun mit einem Tentakel hinein.
    Sariel war inzwischen so entkräftet, dass er sich nicht mehr fragte, warum. Willenlos ließ er sich von dem Kalmar in den Felsspalt drängen, so weit, bis der Tentakel ihn nicht mehr erreichte. Bis er merkte, dass der Boden unter ihm glitschig und weich war. Es roch muffig nach Sporen und fauligen Algen, und Sariel kam es plötzlich vor, als ob er auf etwas Lebendigem stünde. Augenblicklich befiel ihn heftiger Ekel und ein drängender Fluchtimpuls. Doch kaum hatte er einen Schritt zum Ausgang gemacht, schubste der Tentakel ihn wieder zurück. Dann schob er Sariel ein Stückchen beiseite, nestelte am Boden herum und zupfte etwas heraus, das noch ekliger aussah, als es sich unter den Schuhen angefühlt hatte. Schmutziggelbe, schleimige Fäden hingen von dem Tentakel herab, die der Kalmar draußen genüsslich schmatzend vertilgte.
    In diesem Moment verstand Sariel, dass er auf genau jenen Schleimpilzen stand, von denen die Sari gesprochen hatten. Dem Ursprung jenes tödlichen Virus, das sie in ihrer sterbenden Stadt gefangen hielt. Genau jene Pilze, deren Zentrum er vernichten musste. Und der Kalmar fraß das Zeug, als wäre es saftigstes Gras.
    Sariels erste Reaktion war ein Moment der Panik, bis er sich erinnerte, dass er immun gegen das Virus war. Die Sari hatten es ja sogar getestet. Dem Kalmar schienen die Viren ebenfalls nichts auszumachen. Ein seltsamer Gedanke, mit einem Tintenfisch Gemeinsamkeiten zu haben. Außerdem fühlte sich Sariel weiter unbehaglich. Wer stand schon gerne auf etwas Tödlichem? Aber der Kalmar hatte ihn offenbar nicht nur hierhergeführt, um sich selbst satt zu essen.
    Wasser!, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Er brauchte Wasser - aber auch Schleimpilze benötigten Wasser, wie alle Lebewesen.
    Sariel trat vorsichtig aus der Höhle und suchte Blickkontakt mit dem Kalmar. »Ist es das, was du mir zeigen wolltest? Wasser? Gibt es hier irgendwo eine Quelle?«
    Keine Antwort. Der Kalmar schien Sariel gar nicht mehr zu beachten, schaufelte sich bloß eine weitere Portion Schleimpilze ins Maul und seine Hautfarbe wurde zusehends rosiger und frischer.
    Sariel stöhnte. Aber, schoss ihm durch den Kopf, wenn er und der Kalmar immun gegen das Virus der Schleimpilze waren und der Kalmar sich sogar von den Pilzen ernährte - waren sie dann womöglich auch für Menschen genießbar?
    Widerliche Vorstellung. Aber je mehr Sariel versuchte, sie zu verdrängen, desto logischer erschien sie ihm. Die Frage war, ob er genug Mut hatte. Oder verzweifelt genug war.
    »Okay«, stieß er schließlich aus, als er erkannte, dass er im Grunde kaum noch eine Wahl hatte. Selbst wenn er die Pilze nicht aß, würde er sehr bald verdursten. Er verschwand wieder in dem Felsspalt, bis zu der Stelle, an der die schleimigen Pilze wuchsen. Inzwischen hatten sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt, und er erkannte, dass sie praktisch die ganze Höhle bewucherten, nicht nur den Boden, sondern auch Wände und die Höhlendecke. Er kam sich nun wirklich vor wie im Magen eines großen, fremden Tieres. Dazu passte auch der penetrante Geruch nach Moder und Verwesung. Es kostete Sariel einige Überwindung, in die glitschige Masse zu seinen Füßen zu greifen und ein schleimiges Stück herauszuziehen. Es löste sich ganz leicht und fühlte sich eklig an, aber mehr auch nicht. Kein Schmerz, kein Juckreiz. So harmlos wie Algen. Hoffte er. Das Zeug aber dann auch in den Mund zu

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