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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Freude. Die Freude, etwas lang Gesuchtes endlich gefunden zu haben.
    Nur eines irritierte sie: Dies war nicht die Gegend, von der sie geträumt hatte. Hier war nichts als öde Steinwüste, ein kahler Vorläufer des Gebirges, felsig, staubig und durchzogen von tiefen Schluchten. Nichts davon war in ihren Träumen aufgetaucht. Und doch gab es keinen Zweifel. Der Sariel befand sich in der Nähe. Beobachtete sie womöglich.
    Liya zuckte zusammen, als ein kleines Steinchen vor ihr den Hang herabkullerte, und drehte sich um. Nichts zu sehen. Fast alles, was Liya über den Sariel wusste, basierte auf Gerüchten und Legenden der Ori. Der Sariel war gefährlicher als jedes Raubtier auf Pangea, ein gnadenloser Kämpfer mit übermenschlichen Kräften. Man musste auf der Hut sein, schnell, listig, um überhaupt den Hauch einer Chance gegen ihn zu haben. Manche Ori behaupteten sogar, der Sariel könnte fliegen, aber das glaubte Liya nicht. Dennoch warf sie einen prüfenden Blick in den Himmel, wo aber außer von der Sonne keinerlei Gefahr drohte.
    Liya schloss die Augen, wie sie es im Trainingslager der Zhan Shi gemacht hatte. Wenn sie sich auf ihre Gabe konzentrierte, konnte sie den Gegner fühlen und blind gegen ihn kämpfen. Aber sie spürte rein gar nichts um sich herum. Also versuchte sie es auf eine andere Weise, auch wenn Li sie dafür verachtet hätte.
    »Ehhhh!!!«, brüllte sie, so laut sie konnte, in die Berge hinein und legte all ihre Wut in den Schrei. Der Sariel sollte sie sehen. Er sollte sehen, dass sie hier war. Dass eine Zhan Shi keine Angst hatte. Auch wenn das schon nicht mehr stimmte.
    »Ehhhh! Sariel! Ich bin hier, du Missgeburt! Zeig dich! Ich weiß, dass du hier irgendwo bist!«
    Keine Antwort. Das Echo ihrer Stimme zitterte die Felswände hinauf und verwehte irgendwo hoch oben über dem Kamm. Die Berge schienen sie auszulachen.
    Liya ließ sich von Biao wieder auf seinen Kopf heben. Von dort oben hatte sie einen besseren Überblick, und die Gefahr war geringer, dass der Sariel sie von hinten überraschte. Liya griff sich ihr Shi und hielt den Finger am Abzug. Als sich nach einer Weile immer noch nichts rührte, bedeutete sie Biao, seinen Weg vorsichtig fortzusetzen. Sie war sicher, dass der Sariel hier irgendwo auf sie lauerte. Er war offenbar vorsichtig. Aber das war Liya auch.
    Behutsam wie auf dünnem Eis tastete sich Biao weiter vor. Liya wusste, wie viel Überwindung es ihn kostete, gegen seine Natur zu handeln. Normalerweise verfielen Kalmare bei Gefahr in eine totenähnliche Starre und ihre Hautfarbe passte sich perfekt der Umgebung an. So konnten sie tagelang völlig regungslos ausharren, bis der Feind oder eine mögliche Beute sich zeigte, um dann blitzschnell aus ihrer Starre hervorzuschnellen und zuzupacken. Das war keine Feigheit, sondern eine uralte Überlebens- und Jagdtaktik. Nur durch viel Geduld, Vertrauen und Übung gelang es, Kalmare dazu zu bewegen, bei Gefahr weiterzumarschieren.
    Sehr langsam und trotz seines gewaltigen Gewichts nahezu geräuschlos glitt Biao über den steinigen Boden. Liya hielt die Waffe mit beiden Händen fest, bereit, sofort zu schießen, und wurde plötzlich sehr ruhig. Sie wusste, dass sie treffen würde. Wo auch immer der Sariel auftauchte, sie würde ihn erwischen.
    In Gedanken sang Liya das Lied. Nicht um die Richtung zu bestimmen, sondern um sich noch besser auf die Umgebung konzentrieren zu können. Außerdem setzte das Lied die Schmerzempfindlichkeit herab. Drei Strophen lang schlichen sie auf diese Weise voran. Liya war bis in jede Faser ihres Körpers auf den tödlichen Kampf mit dem Sariel vorbereitet. Ein Augenzwinkern, ein unbedachter Atemstoß oder auch nur ein unkontrollierter Gefühlsimpuls von ihm hätten ihr seine Position verraten und damit sein Ende besiegelt, ehe er auch nur einen zweiten Atemzug hätte tun können.
    Aber immer noch regte sich nichts. Der Weg führte stetig bergan, die Sicht war frei, nur gelegentlich versperrten mittlere Felsbrocken im Geröll das Schussfeld. Liya überlegte, wie der Sariel überhaupt hierhergekommen sein mochte. Von Sar-Han bis hierher musste man viele Wochen durch die glühende Wüste reiten. Ohne Karawane und ohne Kalmare war das unmöglich. Aber erstens konnten die Sari ihre Stadt nicht verlassen und zweitens wären die Ori auf eine fremde Karawane aufmerksam geworden. Liya wusste, dass die Menschen sich früher, lange vor der wiedergeborenen Neuzeit, in großen Flugmaschinen fortbewegt hatten. Die Sari

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