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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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endlich.
    »Ja; mit Ihnen auch?«
    »Ich lebe noch. Wo ist er?«
    »Ich weiß es nicht. Ich konnte nicht erkennen, aus welcher Richtung der Schuss kam.«
    Hinter mir öffnete sich die Tür einen Spalt, und ich zuckte zusammen. Ein Lichtstrahl drang herein. Cantrell robbte hinter eine Pritsche. Ich verkroch mich im Dunklen, als ich sah, wogegen ich eben gestoßen war: ein Jagdgewehr, das noch rauchte.
    »Alles in Ordnung«, sagte ich zu Cantrell und wies auf die Waffe.
    Er schloss die Augen. »Ich dachte schon, das war’s.«
    Ich rief nach Griff und Arnie. »Kommt rein, ich bin gegen ein geladenes Gewehr getreten.«
    Griff hatte eine Taschenlampe in der Hand. Arnie war dicht hinter ihm, blass und zitternd. »Ich will hier weg«, sagte er. »Jetzt sofort.«
    Griff klopfte ihm auf die Schulter. »Ich hol nur noch rasch ’ne Decke.«
    Griff kam herein. Er leuchtete den Raum aus, fand auf der vordersten Pritsche eine Decke und ging wieder hinaus. Ich ließ Arnie seine Taschenlampe auf das Gewehr richten, eine 94 er mit angeknackstem Schaft und verblasster Brünierung. Daneben stand ein Rucksack voller Kautabakflecken und anderer Gebrauchsspuren. Er enthielt nicht viel: einen Satz Kochgeschirr, ein Messer, Patronen, ein verdorrtes Stück Obst und einen Regenumhang.
    »Gehörte wahrscheinlich Pawlett«, sagte ich.
    »Warum hat er seine Flinte hier drin stehen lassen?«, fragte Arnie und schloss die Finger ein wenig fester um sein Gewehr.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Ich nahm Arnie die Taschenlampe aus der Hand und leuchtete damit durch den Raum. Ganz hinten, um den schweren Eichentisch an der Wand, waren Spuren im Staub. Weißes Kerzenwachs klebte an mehreren Stellen auf der Tischplatte. Und dazwischen, im Wind zitternd, der durch die offene Tür hereinblies, Reste von Vogeldaunen.
    »Das waren sie«, sagte ich. Auf dem Tisch lag ein undefinierbarer schwarzer Gegenstand.
    Neugierig geworden, lehnte ich meine Flinte gegen den Tisch und griff danach, zuckte aber gleich zurück angesichts des dünnen Haarflaums, der meine Handfläche streifte. Würgend vor Ekel wandte ich mich ab, wischte Cantrell und Arnie beiseite und stürzte mit nach vorn gestreckter Hand, als hätte ich sie mir an der Ofenglut verbrannt, in die Küche. Die Handpumpe in der Spüle war rostig und quietschte, als ich sie betätigte, bis das eiskalte Wasser sich über meine Haut ergoss.
    Griff war mir gefolgt. Meine Hand war ganz blau nach dem frostigen Bad und dem Geschrubbe, das ich ihr mit dem rauen Spüllappen verpasst hatte. Er nahm mir den Lappen aus der Hand und zog mich von der Spüle fort. Meine Knie versagten den Dienst, und er fing mich auf.
    »Das waren Menschenhaare, ein Skalp …«, wimmerte ich.
    »Ich weiß«, sagte Griff. »Da war auch Blut auf dem Tisch.«
    Mir war klar, was das bedeutete, und ich klammerte mich fester an ihn und schloss die Augen. Überall wäre ich lieber gewesen als in British Columbia. Am liebsten zu Hause, wie es sich gehörte, während Kevin über den neuesten Verkaufsschlager seines Verlags schwadronierte.
    »Das Tageslicht wird weniger«, sagte Cantrell grimmig. »Schwingen wir die Hufe, sonst sitzen wir hier fest.«
     
    Die Zeit vergeht ja angeblich schneller, wenn Gefahr droht. Bei mir war das glatte Gegenteil der Fall; die drei Stunden Fahrt zurück zum Metcalfe Estate kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Ich wurde das Gefühl von Haar und getrocknetem Fleisch auf meiner Haut nicht los. Eins aber war mir auf diese Weise klar geworden: Auf keinen Fall, unter keinen Umständen würde ich zulassen, dass man mich so entstellte. Und zum ersten Mal fuhr mir der Gedanke in den Sinn, dass ich einen Menschen würde töten müssen, um diese Tortur zu überleben. Wäre ich dazu imstande?
    Ob es emotionale Erschöpfung war oder ein instinktives Bedürfnis nach Rückzug, wüsste ich nicht mehr zu sagen. Jedenfalls döste ich die letzten fünfzehn Kilometer auf dem Rücksitz des Motorschlittens vor mich hin. Griff schüttelte mich wach, als wir in den Hof einfuhren. Nur das bunte Glasfenster mit den Hirschen im oberen Stockwerk des Blockhauses war hell erleuchtet. Die unteren Fenster waren dunkel.
    Die Küchentür ging auf, sie hatten sich alle dahinter versammelt. Unsere Gesichter sagten alles.
    »Sie kommen nicht, stimmt’s?«, sagte Theresa.
    Cantrell schüttelte den Kopf. »Das Funkgerät ist hin.«
    »Phil hat’s erwischt«, sagte Butch.
    »Was?«, schrie Arnie. »Wie schlimm? Sagt mir nicht, dass er tot

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