Panik: Thriller (German Edition)
katapultierte alle aus den Sitzen. Murdoch spürte nicht, wie er mit dem Kopf gegen die Decke stieß. Der Wagen vor ihnen scherte auf die Standspur aus, krachte in die Leitplanke, überschlug sich und rollte in den Acker dahinter.
» Was zum…«, sagte Murdoch und sah aus dem Rückfenster, während sie an dem Unfall vorbeirasten. Schon stieg eine Rauchsäule hinter ihnen auf. » Was zum Teufel machen Sie denn? Die brauchen Hilfe!«
» Der Konvoi wird erst am Zielort anhalten«, sagte der Fahrer. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch als er den Krankenwagen vor sich sah, brachte er nur noch ein erstauntes Keuchen heraus.
» Was ist das?«, fragte Jorgenson, zwängte sich an Murdoch vorbei und deutete aus dem Vorderfenster. Murdoch folgte seinem Finger, und zuerst konnte er sich auf das, was er sah, keinen Reim machen. Irgendetwas geschah im Innern des Krankenwagens, ein wütender Tornado verschiedenster Objekte, die durch die Luft kreisten. Das Blaulicht flackerte, die Türen gingen auf und zu, wodurch es unmöglich wurde, Genaueres zu erkennen.
» Rufen Sie das Kommandofahrzeug«, sagte der Fahrer. Der Beifahrer– ein weiterer MI -5-Agent in schwarzem Anzug– legte die Hand aufs Ohr.
» Konvoi 1, hier Konvoi 5«, sagte er. » Konvoi 4 ist ausgefallen. Im Krankenwagen scheint es ein Problem zu geben.«
Niemand antwortete. Mit zusammengekniffenen Augen spähte Murdoch in das Chaos. Über dem Poltern der Reifen auf dem Asphalt war nun ein anderes Geräusch zu hören, das ihm in Mark und Bein fuhr. Unmöglich, dachte er. Doch es war tatsächlich die Leiche. Das Atemgeräusch war deutlich lauter. Viel lauter.
» Halten Sie an«, sagte er noch mal mit bebender Stimme. » Sofort.«
» Das geht nicht, Sir«, sagte der Fahrer. » Meine Befehle…«
» Scheiß auf Ihre Befehle«, sagte Murdoch. » Halten Sie sofort an.«
» Sir, bitte beruhigen Sie sich«, sagte der Mann im Beifahrersitz und drehte sich zu ihm um. Seine rechte Hand wanderte unter das Sakko. Murdoch wusste, dass dort eine Dienstpistole vom Kaliber 9 mm in einem Halfter steckte. Egal. Was in dem Krankenwagen vor ihnen geschah, war tausendmal schlimmer als jede Pistole. » Setzen Sie sich wieder hin. Kein Wort mehr.«
Anstatt zu gehorchen, lehnte sich Murdoch über Jorgensen, packte den Türgriff und zog. Abgeschlossen. Er versuchte es auf der anderen Seite. Der Assistent neben ihm hatte aufgehört zu schluchzen und starrte durch die Windschutzscheibe, wobei er keuchende Laute ausstieß.
» Sir, setzen Sie sich und beruhigen Sie sich. Sonst bin ich gezwungen, Gewalt anzuwenden.«
Die Tür gab nicht nach. Murdoch beugte sich vor, um den Mann anzuschreien und ihm notfalls einen Schlag zu versetzen.
Doch dazu kam es nicht.
Der Krankenwagen vor ihnen explodierte– nur dass er nicht in Flammen, sondern in Dunkelheit aufging. Wie in Zeitlupe schoss ein schwarzer Blitz mit einem Knall durch die Metallwände. Das Fahrzeug öffnete sich wie eine Blume, die Reifen verließen den Boden, der Krankenwagen verließ den Boden. Eine lichtlose Welle pulsierte aus dem zerstörten Fahrzeug– sie war so dunkel, dass Murdochs Augen schmerzten. Als ob ein Teil der Realität aufgehört hätte zu existieren, als ob die Materie in ihr Gegenteil verkehrt wäre. Jenseits dieser Kluft, dieses Lochs in der Wirklichkeit tat sich etwas so Großes, Unendliches und Leeres auf, dass sein Herz brach. Das ist das wirkliche Universum, dachte er. Sein wahres Gesicht: das Nichts.
Eine weitere Explosion riss den Krankenwagen auseinander und verteilte Reifen, Trümmer und Leichenteile in alle Richtungen– und immer noch geschah alles wie in Zeitlupe, als ob die Zeit selbst hier keine Macht mehr hätte.
Das Auspuffrohr wurde nach hinten geschleudert, bohrte sich durch die Windschutzscheibe der Limousine und den Fahrer und schließlich auch durch Jorgensen auf dem Rücksitz. Murdoch hörte, wie das Blut auf dem heißen Metall zischte. Mit einem Mal war die Luft mit dem Gestank von brennendem Fleisch erfüllt. Jorgensens Hand griff nach seinem Arm, drückte noch einmal fest zu und erschlaffte. Das Auto prallte gegen die mittlere Leitplanke. Funken sprühten, als die Türen am Metall entlangschrammten. Dann kam die Limousine zum Stillstand.
Die Leiche schwebte in einer Hülle aus absoluter Finsternis über der Straße. Ihr Mund war ein reißendes Loch, das alles Licht, alles Gute auf der Welt in sich einsaugte. Die Augen des Toten waren auf die Limousine gerichtet, es war, als
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