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Panik: Thriller (German Edition)

Panik: Thriller (German Edition)

Titel: Panik: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Gordon Smith
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trotz der Schießerei und der Toten nicht so schlimm stand– immerhin schien die Sonne. Mit einem Mal türmte der Ozean sich vor ihm auf, eine undurchdringliche Wand aus Finsternis, die alles Licht verdeckte, sich über die Welt legte und alles unter Schlamm und Salzwasser begrub. Er ging in die Knie, rang nach Luft und blinzelte die Wirklichkeit wieder zurück. Doch selbst als die Sonne wieder auf sein Gesicht fiel, wusste er, dass die Finsternis auf die Welt gekommen war.
    Adam spürte es. Er lag im Foyer des Pavillons und schlief tief und fest. Der Traum von Pferden auf dem Rummelplatz färbte sich schwarz, wie wenn man Tinte in eine Wasserschüssel schüttet. Dunkle, bedrohliche Wolken türmten sich auf. Ihre blauschwarze Oberfläche war so fest wie Granit, sie schloss ihn ein und ließ ihn allein in einer gewaltigen Höhle zurück. Er rief nach seiner Mutter und nach Daisy, doch außer ihm gab es nur die Nacht und eine gestaltlose Kreatur aus unendlichem Kummer. Sein schlafender Körper zuckte, aber er wachte nicht auf.
    Rilke spürte es. Sie zitterte im Kerzenlicht. Der Revolver war noch in ihrer Hand. Sie hatte nicht grundlos getötet. Sie war dazu gezwungen gewesen, weil sie alle eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatten und sich nicht ablenken lassen durften. Nun hingen die Gesichter des Mannes und des Mädchens, die sie ermordet hatte, geisterhaft im Raum. Sie sprachen nicht, bewegten sich nicht, starrten sie nur an, und sie wusste, dass sie diese Gesichter bis in alle Ewigkeit vor Augen haben würde. Bis zu ihrem Ende. Diese Vorstellung war schlimmer als alles andere– bis es sie erreichte: eine unendliche, hoffnungslose Woge des Nichts. Sie ließ die Waffe fallen, legte die Hände auf den Kopf und schrie. Geh weg geh weg geh weg geh weg.
    Selbst Schiller spürte es im kalten Sarg seines Körpers. Er stöhnte und zuckte, woraufhin schillernde Eiskristalle zu Boden fielen. Rilke sprang auf, lief zu ihm hinüber und ging vor ihm in die Knie. Sie rief seinen Namen, hielt seinen Kopf, streichelte seine Wangen und wartete darauf, dass sich seine Augen öffneten. Er stöhnte noch einmal auf– ein grässliches Geräusch– dann lag er wieder still da. Rilke wusste, dass er selbst in seinem totenähnlichen Schlaf das Gleiche gespürt hatte wie sie. Er verstand, was hier geschah.
    » Bald wird es dir wieder besser gehen, Schill«, sagte sie und strich ihm dünne, dunkle Haarsträhnen aus den Augen. » Wir brauchen dich. Wir alle.«
    Sie legte trotz der betäubenden Kälte den Kopf auf seine Brust und konzentrierte sich auf den Schatten, der sich über ihren Verstand, über die ganze Welt gelegt hatte.
    » Es ist hier, kleiner Bruder«, sagte sie. » Es ist hier.«

Sonntag
    Und wo zwei wüt’ge Feuer sich begegnen,
    vertilgen sie, was ihren Grimm genährt.
    William Shakespeare, Der Widerspenstigen Zähmung

Brick
    Fursville, 5 : 05 Uhr
    Als er aufwachte, spürte er viele kleine Nadeln, die seinen Rücken hinauf- und hinunterwanderten. Es tat nicht weh, war sogar ganz angenehm, bis irgendetwas in seine Schulter pikte.
    » Au!«, rief er, rollte sich herum und nahm die Welt nur verschwommen wahr. Er hörte ein Durcheinander aus Geräuschen, Flügelschlagen und ein heiseres Krächzen. Er blinzelte, dann sah er eine Möwe ein paar Meter neben sich auf dem Boden. Sie starrte ihn aus neugierigen schwarzen Augen an und hüpfte näher, als wollte sie ihn noch einmal angreifen. Brick packte eine Handvoll Erde und schleuderte sie auf den Vogel. Die Möwe hüpfte unbeholfen zur Seite, dann schwang sie sich mit vollendeter Eleganz in die Morgenluft. » Ja, hau nur ab«, rief er ihr hinterher und hätte fast gelächelt, als ihm einfiel, wo er war.
    Neben ihm zeichnete sich ein zwei mal einen Meter großes Rechteck aus sandiger Erde auf dem Gras ab. Er hatte Stunden gebraucht, um das Grab auszuheben und nur Minuten, um es wieder zu füllen– verzweifelt hatte er die Erde auf die Leiche unter dem karierten Tischtuch geschaufelt, bis nichts mehr zu sehen war. Ihre Haut war kalt und steif gewesen. Sie hatte sich so unwirklich angefühlt, und Brick wusste nicht, ob das nun gut oder schlecht war.
    Nach getaner Arbeit war er zum mondbeschienenen Strand gegangen, wo er einen toten Seestern gefunden hatte. Er hatte ihn ans Kopfende des Grabs gelegt und sich eingeredet, dies aus Ehrfurcht zu tun. Damit er sie nie vergessen würde. In Wahrheit wollte er nur verhindern, dass sie in der Nacht heraussteigen und ihn heimsuchen könnte.

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