Panik: Thriller (German Edition)
scheuchten die anderen Autos aus dem Weg und hielten die zweispurige Fahrbahn frei, damit die ersten drei Regierungslimousinen mit konstanten hundertzehn Stundenkilometern dahinfahren konnten. Direkt in der Mitte befand sich ein langer, schwarzer, fensterloser Krankenwagen, der eher an einen Leichenwagen erinnerte. Er wurde von zwei weiteren Polizeimotorrädern flankiert, deren Fahrer mit Maschinenpistolen und Helmen mit verspiegeltem Visier ausgerüstet waren. Dahinter folgten drei weitere Limousinen.
Detective Inspector Alan Murdoch saß in der mittleren dieser Limousinen zwischen Dr. Sven Jorgensen, dem Chefpathologen von Scotland Yard, und einem seiner Assistenten aus dem Leichenschauhaus. Durch das getönte Glas der Rückscheibe beobachtete er die beiden Streifenwagen und vier Motorräder, die die Nachhut bildeten. Das Blaulicht verwandelte die Stadt in einen schillernden Ozean. Die Ähnlichkeit war so stark, dass Murdoch plötzlich das Gefühl hatte zu ertrinken– als ob aller Sauerstoff aus dem Auto gesaugt worden wäre.
Er beugte sich vor und atmete tief durch. Der Sicherheitsgurt schnitt in seinen Hals. Der Konvoi donnerte über einen Kreisverkehr und fuhr dann auf die M1. Aus den anderen Autos heraus beobachteten Zivilisten sie mit großen Augen.
Wenn die wüssten, dachte er und hielt zwischen den Limousinen vor ihm nach dem Krankenwagen Ausschau. Der Patient lag auf einer Trage im hinteren Teil des Fahrzeugs. Er lebte nicht. Und war auch nicht tot. Atmete endlos und heulend. Wenn sie den sehen könnten.
Er wollte ihnen zuwinken, um Hilfe rufen. Sie sollten erfahren, dass er ein Gefangener war. Die Soldaten, die ihn aus der Zelle an der Themse eskortiert hatten, hätten ihn natürlich niemals so bezeichnet. Sie hatten ihn gebeten mitzukommen, eine Einladung, die er selbstverständlich nicht hatte ausschlagen können. Schließlich gehörten sie zum MI -5 und waren für die nationale Sicherheit zuständig. Da war es egal, ob er einer der höchstrangigen Polizeibeamten der Hauptstadt war. Bei jedem Fluchtversuch– und der Gedanke daran war äußerst verlockend– würden sie ihn auf der Stelle erschießen.
Murdoch war so müde, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Seine Augenlider waren schwer wie Blei. Wie die einer Leiche, die sich für immer geschlossen hatten. Bei diesem Gedanken bekam er eine schmerzhafte Gänsehaut. Er musste sich wieder nach vorne beugen und die Hände zu Fäusten ballen, damit sich nicht alles um ihn herum drehte. Der Mann zu seiner Linken– Jorgensens Assistent– hatte das Gesicht an die Fensterscheibe gedrückt und schluchzte leise. So ging es schon, seit sie das MI -5-Hauptquartier verlassen hatten.
Ein Polizeimotorrad schoss mit heulender Sirene an ihnen vorbei und verschwand hinter dem Krankenwagen. Bitte, lass uns anhalten, betete Murdoch. Irgendeine Ablenkung, damit ich von hier verschwinden kann. Doch der Konvoi schob sich so unaufhaltsam wie ein Güterzug durch die stickige Abendluft. Sie verließen London in nordwestlicher Richtung. Ihm fiel ein, dass dort die Militärbasis Northwood lag.
Er schaute an Jorgensens erschöpftem Gesicht vorbei zum Fenster hinaus. Die Tönung der Scheibe verlieh dem Sonnenlicht einen karamellähnlichen Farbton. Er wohnte gar nicht weit entfernt von hier, drüben in Finchley. In dieser Sekunde würde Alice den kleinen John baden oder füttern und versuchen, dem Baby zuliebe die Fassung nicht zu verlieren. Inzwischen hatte sie wohl längst seine Kollegen und Freunde angerufen und war der Verzweiflung nahe. Wahrscheinlich hatte sie der Geheimdienst bereits darüber informiert, dass sie ihn in Gewahrsam genommen hatten, aber das würde sie nur noch mehr aufregen. Er wünschte, dass er seine Hand auf die Scheibe legen und ihr dadurch irgendwie eine Botschaft übermitteln könnte. Alles wird gut. Er tat es trotzdem. Ich bin bald zurück, dann sind wir wieder zusammen. Versprochen. Mach dir keine Sorgen.
Gerade als er diese Worte dachte, sie mit aller Willenskraft zu seiner Frau nach Hause schickte, hörte er Bremsen quietschen. Die Heckklappe des Krankenwagens öffnete sich, und dann brach seine Welt zusammen.
» Mick, was zum Teufel ist mit dem Ding los?«
Mick Rosen zuckte zusammen. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Die kleinste Bewegung, der kleinste Laut fuhr ihm durch Mark und Bein. So viel Angst hatte er noch nie in seinem Leben gehabt, nicht mal als Feldarzt im Irak und in Afghanistan, wo er mit dem
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