Panik: Thriller (German Edition)
betrachtete sein Werk. » Der Name passt doch, oder?«
» Auf jeden Fall«, sagte Cal. » Aber warum bleiben wir davon verschont? Und warum passiert das alles gerade jetzt?«
Ihre Blicke trafen sich für einen Sekundenbruchteil, dann sah Brick weg, beugte sich vor und kramte in einer Tasche, die er auf dem Weg ins Restaurant aus dem Foyer mitgenommen hatte. Er zog einen Laptop heraus und stellte ihn vorsichtig auf die Zeichnung auf dem Tisch.
» Ich muss dir was zeigen«, sagte er und klappte den Rechner auf. Cal hörte, wie die Festplatte surrend zum Leben erwachte. Bricks Gesicht schimmerte plötzlich in einem kränklichen blassen Schein. Cals stand auf, wischte sich den Staub von den Handflächen und ging um den Tisch herum. Brick war bereits online– im Browserfenster war dieselbe Yahoo-Answers-Seite zu sehen, die Cal auch zu Hause aufgerufen hatte. Er erkannte Rick_Bs ursprüngliche Nachricht und darunter seine hastige Antwort. Brick sah zu ihm hoch. Aus diesem Winkel wirkte er fast wie ein kleiner Junge. » Wir sind nicht allein«, sagte er.
» Ich weiß«, sagte Cal, woraufhin Brick große Augen machte. » Das ist mir auf der Autobahn aufgefallen. Da ist eine ganze Horde auf ein Auto losgegangen. Wer auch immer da drin saß, er gehörte zu uns. Ich weiß nicht, wieso ich das weiß, aber ich weiß es eben.«
Er musste würgen, als er an die Flammen der Explosion zurückdachte. Es war, als würden sie seine eigene Haut verbrennen. Brick wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Der dreckig-schwarze Finger, der sich dem Touchpad näherte, zitterte.
» Du warst nicht der Einzige, der geantwortet hat. Schau mal.«
Er scrollte ganz langsam die Seite hinunter, damit Cal alle elf Antworten lesen konnte– sie klangen genau wie seine eigene. Als er die letzte Nachricht erreicht hatte, fühlte er sich, als hätte er einen Marathonlauf hinter sich– oder als hätte ihm jemand hart in den Magen geschlagen. Er musste sich an Bricks Stuhllehne festhalten, damit seine wackeligen Knie nicht unter ihm nachgaben.
» Die letzte Antwort ist vier Stunden alt«, sagte Brick und fuhr über die Zeitanzeige der untersten Nachricht. 18:05 Uhr. » Seitdem habe ich nicht mehr nachgesehen.«
Er fuhr mit dem Mauszeiger auf den Aktualisieren-Button. Cal hätte ihn beinahe angeschrien. Er wollte das nicht sehen. Er wollte das nicht wissen.
Brick klickte darauf. Die Seite baute sich quälend langsam neu auf. Erst das Yahoo-Logo, dann die Werbebanner, dann wieder Bricks Frage. Und dann die Antworten, eine nach der anderen, als hätte sie jemand auf den Bildschirm gekotzt.
Achtundvierzig Einträge.
» Mann«, sagte Cal, und jetzt musste er sich auf den Stuhl neben Brick setzen. Sein Körper fühlte sich taub an. Taub und kalt. » Die können doch nicht alle echt sein.«
Brick scrollte wieder nach unten. Diesmal war nicht das Licht des Bildschirms schuld, dass er so leichenblass aussah. Cal sah, wie Brick mit jeder neuen Nachricht niedergeschlagener wirkte. Nach einer Ewigkeit richtete er seine geröteten, feuchten Augen auf ihn. In diesem Augenblick sahen sie sich zum ersten Mal richtig an, und trotz aller Unterschiede war es, als würde er in einen Spiegel blicken.
» Brick?«, fragte Cal. » Was steht da?«
» Immer das Gleiche«, flüsterte er und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. » Genau das Gleiche.«
» Was sollen wir denn jetzt machen?« Brick antwortete nicht. Das Kerzenlicht ließ seine Haut wie Wachs erscheinen. Als ob er nicht echt wäre. Als ob hier gar nichts wirklich wäre. Wie könnte es auch anders sein?, beharrte Cals Verstand. So was kann einfach nicht wahr sein. » Brick, was sollen wir tun?«
Brick sah auf. Als sich ihre Blicke diesmal trafen, wusste Cal genau, was Brick dachte.
» Wir sagen’s ihnen«, sagte Cal. » Wir sagen ihnen, wo sie uns finden können.«
» Das müssen wir«, pflichtete Brick ihm bei. » Ungern, aber uns bleibt wohl nichts anderes übrig. Wir haben uns ja auch nicht gegenseitig umgebracht. Oder Daisy. Wenn wir…«
» …anders sind«, warf Cal dazwischen.
» …anders sind, wenn wir irgendwas an uns haben, das verhindert, dass wir die Wut kriegen…«, so heißt das nun also, dachte Cal. Das ist der Begriff dafür. » …dann müssen wir uns zusammentun, so viele wie möglich. Nur so sind wir sicher, und nur so können wir rausfinden, was hier los ist.«
» Aber du darfst ihnen nicht sagen, wo wir sind«, sagte Cal. » Nicht online. Was, wenn die anderen es rausfinden?
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