Panik: Thriller (German Edition)
und er saß dabei sozusagen in der ersten Reihe.
» Es tut mir leid, Alan«, sagte Jorgensen zum ungefähr hundertsten Mal. Er saß an der gegenüberliegenden Wand des Raumes– nein, der Zelle– und sah aus, als wäre er um hundert Jahre gealtert. » Ich hätte dich da nicht mit reinziehen dürfen.«
Nein, das hättest du verdammt noch mal nicht tun sollen, dachte Murdoch. » Es ist nicht deine Schuld, Sven. Du hast nur deinen Job gemacht«, sagte er.
Der Gerichtsmediziner lächelte ihn müde an und legte den Kopf zurück in die Hände. Murdoch hämmerte so fest mit der Faust gegen die Tür, dass es schmerzte.
» Sie haben kein Recht, uns hier festzuhalten, verdammt«, brüllte er. Man hatte ihnen Wasser und Sandwiches gebracht. Das war auch schon wieder mehrere Stunden her, doch die Wut in Murdochs Bauch vertrieb seinen Hunger. » Ich bin Polizeibeamter. Ich habe das Recht zu erfahren, was hier los ist.«
Das Recht. Murdoch lachte bitter. Er hatte keine Rechte, nicht hier im Herzen des Geheimdienstes. Sie konnten ihn bis in alle Ewigkeit festhalten, und niemand würde Fragen stellen. Aber warum?
Ein metallisches Klirren ertönte von außen, dann Schritte. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, die Tür schwang auf, und dahinter erschienen ein Mann und eine Frau in Krankenpflegeruniformen. Der Mann trug ein Tablett mit weiteren Sandwiches und zwei Wasserflaschen darauf. Er wollte in die Zelle treten, doch Murdoch versperrte ihm den Weg.
» Sie können uns nicht hier festhalten«, sagte er. » Ich verlange, mit ihrem kommandierenden Offizier zu sprechen.«
» Tut mir leid«, sagte die Frau. » Ich fürchte, die sind gerade alle beschäftigt.«
» Sie warten hier«, fügte der Mann hinzu. Das sonst, das darauf hätte folgen sollen, sprach er nicht aus.
Murdoch biss sich auf die Zunge und spähte über die Krankenpfleger hinweg in einen langen, fensterlosen Flur. An seinem Ende befand sich eine schwere Stahltür, die von bewaffneten Männern bewacht wurde. Dort lag der lebende Tote, das wusste Murdoch genau. Er erschauderte, wenn er daran dachte, wie nahe er ihm war. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und mehrere Personen verließen den Raum. Sie trugen verschiedene Uniformen– hochrangige Militärs, Ärzte– und den gleichen besorgten Gesichtsausdruck. Die Gruppe ging den Flur hinunter und verschwand außer Sichtweite.
» Hören Sie«, sagte Murdoch und zwang sich, ruhig zu bleiben. » Ich will keinen Ärger machen, ich will nur nach Hause. Meine Frau weiß nicht, wo ich bin. Können Sie mir nicht wenigstens sagen, wie lange Sie uns noch hier festhalten wollen?«
Offensichtlich war den Pflegern die Verzweiflung in seinem abgehärmten Gesicht nicht entgangen. Sie wirkten auf einmal viel freundlicher.
» Um ehrlich zu sein, dass wissen wir auch nicht«, sagte die Frau. » Hier… hier geht etwas sehr Schlimmes vor, heißt es. Sie halten alle fest, die damit in Kontakt gekommen sind. Haben Sie es gesehen?«
» Ja«, sagte Murdoch und seufzte. » Und es stimmt– es ist schlimm.«
» Hier«, sagte der Mann und drückte Murdoch das Tablett in die Hand. » Ich hoffe, es ist bald vorbei. Angeblich haben sie einen Spezialisten angefordert. Wenn wir Glück haben, finden wir bald raus, was hier los ist, und Sie können hier raus.«
» Ein Spezialist?«, fragte Jorgensen und kam zu ihnen herüber. » Was für ein Spezialist?«
Der Mann zuckte mit den Achseln. » Jemand, der weiß, worum es sich bei diesem Ding handelt.«
Und was es will, fügte Murdoch in Gedanken hinzu.
Stimmen wurden laut. Eine Gruppe Soldaten kam aus dem Flur, in dem die andere Gruppe verschwunden war. Sie gingen auf die bewachte Tür zu. Murdoch sah, dass sie einen Mann im schwarzen Talar in ihrer Mitte hatten. Die Pflegerin warf einen Blick über ihre Schulter.
» Das ist er wohl«, sagte sie.
» Das ist der Spezialist?«, fragte Jorgensen. Der Mann und die Frau nickten.
» Unmöglich«, sagte Murdoch und konnte seinen Augen nicht trauen. Die Soldaten hatten die Tür erreicht. Der Mann drehte sich um. Der weiße Kragen und das schwere Kruzifix um seinen Hals waren deutlich zu erkennen. Bei diesem Spezialisten handelte es sich nicht um einen Wissenschaftler oder Arzt oder General.
Es war ein Priester.
Samstag
Der böse Feind in seiner eigenen Gestalt ist weniger schrecklich, als wenn er in der B rust de s Menschen rast.
Nathaniel Hawthorne, Der junge Nachbar Brown
Rilke
Farlen, Lincolnshire, 00 : 23 Uhr
» Das ist keine
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