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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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er, der sich vorher niemals um den Staat bekümmert hat, fällt mit rhythmischem oder epischem Geprassel um, reimt das Blut der Andern auf sein eigenes Gut – was einen sehr schönen Klang gibt – und begründet die Notwendigkeit dieses Krieges kosmogenetisch … Und das Blut fließt, fließt …
    Die ersten Kriegsjahre war ich verstummt. Ich glaube heute, dass es erlaubt ist, – aber immer mit diesem stillschweigenden Vorbehalt – über Nebensachen zu sprechen. Über die Hauptsache kann ich nichts sagen, weil es mir nicht folgerichtig erscheint, sich aus der Front zur Premiere eines Menschlichkeitsdramas beurlauben zu lassen. Entweder Christus oder der Bezirksfeldwebel, aber nicht diese mittlere Proportionale.
    Sie werden begreifen, lieber Herr Tiger, dass es von mir nicht Weltabgewandtheit oder Snobismus war, im Kriege dauernd von allem zu »plaudern«, nur von dem einen nicht.
    Ich bin Ihr sehr ergebener
    Peter Panter.
    1918

Haben sie sich schon einmal im Mai verliebt?
    Auf eine Rundfrage.
    Paris, den heutigen
PETER PANTER
Privat-Sekretariat
Abteilung: Gefühle
Tgb.-No. 1427/28 G b 3
    Sehr geehrter Herr Uhu!
    Bezugnehmend auf Ihre werte Anfrage vom neulichen dieses Monats, erlaube ich mir, im Auftrage von Herrn Peter Panter auf die Frage, ob sich derselbe schon einmal im Mai verliebt hat, folgendes ergebenst zu erwidern:
    Laut Verordnung des Panterschen Leibarztes, Herrn Dr. Woronoff, verliebt sich Herr Panter im Mai grundsätzlich nicht Etwaige Verliebtheiten werden in den November placiert, und auch diese nur in bescheidenem Umfange (etwa ein Eßlöffel wöchentlich).
    Für den Monat Mai sind – immer laut ärztlicher Verordnung – lediglich Auffrischungen alter Lieben vorgesehen. Sie haben den Vorteil, dass die Emotion Panters dieselbe oder doch fast dieselbe ist wie bei einer Neueinstellung. Wir halten es da wie das Publikum im Theater, von dem Tristan Bernard gesagt hat: »Es will überrascht werden, aber nur durch das, was es schon kennt.« Auf diese Weise hat die Abteilung »Gefühle« bisher nur Erfolge zu verzeichnen gehabt.
    Für dieses Jahr werden wir Herrn Panter vorlegen: Lisa (lfd. No. 456), Kitty (No. 234), Margot (No. 1003).
    Die Kosten sind allerdings etwas höher zu veranschlagen als bei Neueinstellungen: so hat Lottchen im vorigen Jahr etwa 836 Mark für Futterkosten, 450 Mark für improvisierte Geschenke, 3,50 Mark für vorbereitete Geschenke verschlungen. Herr Peter Panter sieht dem Mai gefaßt entgegen; wir haben ihn völlig renovieren lassen, er ist neu gestrichen und sieht, wenn man nicht genau hinsieht, aus wie Casanova bei Gewitter. Indem wir von Ihnen dasselbe erhoffen, zeichnen wir ohne Mehranlaß für heute
    als Ihr sehr ergebenes
Privat-Sekretariat Panter
gez. Erika 1928

Kurt Tucholsky
    (Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel, Kaspar Hauser)
haßt:
liebt:
das Militär
Knut Hamsun
die Vereinsmeierei
jeden tapfern Friedenssoldaten
Rosenkohl
schön gespitzte Bleistifte
den Mann, der immer in der Bahn die Zeitung mitliest
Kampf
Lärm und Geräusch
die Haarfarbe der Frau, die er gerade liebt
»Deutschland«
Deutschland
    1928

Befürchtung
    Werde ich sterben können –? Manchmal fürchte ich, ich werde es nicht können.
    Da denke ich so: wie wirst du dich dabei aufführen? Ah, nicht die Haltung – nicht das an der Mauer, der Ruf »Es lebe…« nun irgend etwas, während man selber stirbt; nicht die Minute vor dem Gasangriff, die Hosen voller Mut und das heldenhaft verzerrte Angesicht dem Feinde zugewandt… nicht so. Nein, einfach der sinnlose Vorgang im Bett, Müdigkeit, Schmerzen und nun eben das. Wirst du es können?
    Zum Beispiel, ich habe jahrelang nicht richtig niesen können. Ich habe geniest wie ein kleiner Hund, der den Schluckauf hat. Und, verzeihen Sie, bis zu meinem achtundzwanzigsten Jahre konnte ich nicht aufstoßen – da lernte ich Karlchen kennen, einen alten Korpsstudenten, und der hat es mir beigebracht. Wer aber wird mir das mit dem Sterben beibringen?
    Ja, ich habe es gesehn. Ich habe eine Hinrichtung gesehn, und ich habe Kranke sterben sehn – es schien, dass sie sich sehr damit plagten, es zu tun. Wie aber, wenn ich mich nun dabei so dumm anstelle, dass es nichts wird? Es wäre doch immerhin denkbar.
    »Keine Sorge, guter Mann. Es wird sich auf Sie herabsenken, das Schwere – Sie haben eine falsche Vorstellung vom Tode. Es wird …« Spricht da jemand aus Erfahrung? Dies ist die wahrste aller Demokratien, die Demokratie des Todes. Daher die ungeheure

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