Panter, Tiger und andere
noch ein paar. Der Rest aber klaut; leider auch die ›Katakombe‹.
O Zuhörer. Wahrlich, ich sage dir: wenn du ein Gedicht von mir in einem Cabaret hörst, ein Chanson oder sonst etwas: meist kann ich nichts dafür.«
1931
Wie uns aus
deutschnationalen Kreisen mitgeteilt wird, hat sich der bekannte Kommunistenführer Ignaz Wrobel nach Paris begeben. Wir erfahren dazu folgende Einzelheiten:
Die Ankunft Wrobels gestaltete sich besonders feierlich. Ministerpräsident Poincaré empfing Wrobel in Gemeinschaft mit allen seinen Kollegen, dem diplomatischen Korps der Feindbundstaaten, den Erzbischöfen von St. Emilion und St. Beaujolais sowie dem Polizeipräfekten von Paris. Wrobel wurde vermittels einer Ansprache begrüßt und ins Hotel geführt, wo er auf einem Tisch die Monatsapanage der französischen Regierung vorfand.
Wrobel soll in Paris ein geradezu gotteslästerliches Leben führen.
Er steht spät auf, macht einen Morgenspazierritt auf seiner Schimmelstute »Karin Michaelis« und nimmt das Frühstück im Moulin Rouge ein. Gegen Mittag zieht er sich meist mit einem pornographischen Roman zurück, schlummert und liest dann die Abendzeitungen. Nachts treibt er Unzucht, und zwar hauptsächlich mit galizischen Jüdinnen, da sogar die Pariser Dirnen ihre Weigerung ausgesprochen haben, sich Wrobel zur Verfügung zu stellen. W. bezieht außer den Geldern der französischen Regierung noch erhebliche Zuschüsse der sozialistischen, kommunistischen und klerikalen Partei Frankreichs. Bezeichnenderweise verkehrt er in den ersten Häusern der Stadt, so in einem sehr eleganten Palais der Rue Chabanais. Wrobel trinkt täglich zwei bis drei Flaschen Sekt, den er sich aus Deutschland nachschicken läßt, und ist inzwischen völlig französiert: er trägt Apachenkostüm, schwarzen, stumpfen Zylinder und nennt sich Pierre Pantin.
Wir gönnen den Franzosen die Neuerwerbung dieses Mannes, der endlich heimgefunden hat, und bedauern nur, dass er nicht gleichzeitig den Relativitätsjuden Einstein sowie die Juden von Unruh, Gerhart Hauptmann und Wirth mitgenommen hat. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Das Ganze ist ein erneuter, klarer Beweis für die Richtigkeit der deutschen Dolchstoßlegende.
1924
An Peter Panter
von Theobald Tiger
Peter Panter, Mitarbeiter!
Steig doch auf die hohe Leiter!
Singe doch von aktuellen
Zeitgenossenzwischenfällen!
Laß die Liebe, laß die Damen
mit dem freundlich blonden Namen;
laß die bunten Busentücher
und vor allem: laß die Bücher!
Laß sie Bücher schreiben, drucken –
wozu da hinuntergucken!
Frisch! hinein ins volle Leben!
Aktuell mußt du dich geben!
Sieh mich an! Fast jede Woche
pfeif ich auf dem Flötenloche:
Reichstag, Wahlrecht, Osten, Westen,
Presse, Orden, Schweinemästen –!
Tanz die nationale Runde!
Kennst du das Gebot der Stunde?
Höcker macht das viel gewandter,
Peter Panter, Peter Panter!
Du mußt aktueller schwätzen,
und man wird dich höher schätzen!
Lerne du im Hurraschrei’n:
man darf nicht beschaulich sein.
1918
An Theobald Tiger
Lieber Herr Tiger, ich danke Ihnen vielmals für Ihren freundlichen Gesang. Sie haben, wie ich, den Vorzug, ein Pseudonym zu sein, aber Sie haben den noch weitaus großem Vorzug, das Ihrige in kurzen oder langen Zeilen, die am Schluß einen Gleichklang aufweisen, schreiben zu können. Das kann ich nun nicht, und der richtig gedichtete Dichter hats doch besser als der, der das tut, was alle können: ganz einfach deutsch schreiben, nicht wahr?
Sie sagen nun, halb im Scherz, ich solle von meinen kleinen Liebhabereien lassen und mich dem ›Leben‹, der Politik, dem lauten Ganzen zuwenden. Ja, aber wem? Der letzten Verhandlung über unsre Kunst im Abgeordnetenhaus? Was soll ich da? Späße machen? Und zum hundertundelften Male feststellen, dass alle Jahre wieder irgendein Beauftragter irgendeiner Partei etwas daherredet… man würde den Mann keinen Augenblick länger bei den Seinigen dulden, wenn er so schlecht über Wegebau oder Eisenbahnen unterrichtet wäre. Und der Krieg?
Lieber Herr, zum Märtyrer habe ich nicht das Zeug. Ich kann mir denken, dass jemand auf den Sandhaufen tritt, aber dann muß er wissen, wozu, und – nebenbei gesagt es muß ihm stehen. Ich habe einen dicken Bauch und bringe das Pathos nicht auf, das nötig ist Und, sehen Sie, es gibt doch für einen anständigen Kerl nur ein Entweder-Oder bei diesem Ding: entweder er widersetzt sich, das kann man auch schweigend; oder er macht mit,
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