Panter, Tiger und andere
in Ihre Gesellschaft zu sein. Hochachtungsvol…«
Und so rummelt das durcheinander, Verse und Schmalz und bonbonblaue Briefe und marzipanrosane und junge Damen und alte. Der schönste aber von allen ist dieser hier, der eine so prächtige Idylle darbietet, wie sie Meister Spitzweg nicht besser hätte malen können oder sein Enkel Paul Scheurich. Beim Lampenschein… nein, zu diesem Brief muß das »Elterngrab« gespielt werden – dann ist’s richtig. Hier ist er:
»Geehrter Herr… Verzeihen Sie, dass Ihnen eine unbekannte Frau mit diesen Zeilen belästigt, doch ist es eine Mutter, die ihren einzigen, vergötterten, guten Jungen verlor und nichts weiter besitzt, denn mein Mann ist acht Jahre tot.
Ich sah Sie im Frühjahr in… und erschrak, wie sehr Sie meinem Sohn ähnlich sind, nicht in den Zügen, sondern wie er sich gab. Ich sah zufällig in eine Kinovorstellung, ich war nie eine Freundin für diese Art Sachen, doch nun gehe ich zu diesen Vorstellungen, so oft ich Ihren Namen lese, blödsinnig ist so etwas. Und nun werden Sie vielleicht sagen, die Frau hat wohl keine Arbeit? Ich habe mehr wie zu viel zu tun und mein anständiges Auskommen. Nein, die Sorge um etwas Liebes fehlt mir. Herrgott, da schreibe ich ja gerade, als ob ich abends meinem Paulchen das Herz ausschüttete. Ich fahre auf ein paar Tage nach L. zu meinen Verwandten, denn ich bin dorther, und wenn ich wiederkomme, werde ich Ihnen eine uralte Geschichte schreiben oder erzählen, wenn Sie es für gut befinden, ich würde, wenn Sie zu mir kommen, Sie gut empfangen, eine anständige Tasse Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Vielleicht kommen Sie, ich würde mich unendlich freuen. Sie brauchen sich meiner nicht zu schämen, ich bin eine Frau von untadlichem Ruf.
Mein Großmütterchen, die tief im Spreewald wohnt, hat mir mehr wie einmal diese furchtbare Geschichte aus einem schönen, alten Buch vorgelesen, denn es war eine Schrift, die ich nicht verstand, mit wunderbaren Bildern dazu. Die Geschichte spielt in der Nähe meiner Großeltern, ein gewaltiger Wendenfürst hat ein edles Grafenehepaar in den Tod gehetzt, sie ist schön, diese Geschichte, es ist etwas andres mal. Die Rache einer edlen Frau nennen Sie dann das Stück. Mein geliebter Spreewald ist reich an Geschichten und Sagen. Ihnen würde ich sie erzählen, wiewohl ich sonst wie meine Kunden sagen, wenn ich mal bei ihnen bin sagen, ich sitze wie ein Ölgötze. Unendliche Grüße von Ihrer mütterlichen Freundin…«
Und wenn er nun hingegangen wäre –? An diesem Abend lesen sie nicht weiter…
Ist das nicht rührend? Da schmilzt des harten Spötters Herz, er beugt demutsvoll sein Haupt, hebt betend die Arme empor und spricht zu seinem Kinomann: »Wahrlich, wahrlich, Du bist berühmt. Wir aber modern im Schatten dahin! Glanz und Sonne auf Deinen lackierten Scheitel!«
1919
Die Pointenwiederholer
Manchmal, im Theater… immer im Theater sitzen da zwei ältere Damen, vor denen habe ich eine furchtbare Angst. Ich sehe sie mir schon, bevor der Vorhang aufgeht, darauf hin an, ob sie es sind. Ja, sie sinds. Sie gehören zur Familie der Pointenwiederholer.
Mein Billet habe ich nur einmal bezahlt – doch, ich bezahle meine Billets immer. Man kann dann hinterher besser schimpfen. Überhaupt, die Unabhängigkeit der Theaterkritik… da hatte ich mal einen Onkel Paul (folgt eine lange Geschichte von Onkel Paul, die kein Mensch wissen will. Gestrichen). Mein Billet habe ich einmal bezahlt – aber das Stück höre ich zweimal.
»So bohr ich denn in dies verruchte Weib mein Schwert!« sagt Kortner, und da hat er ganz recht. Links von mir zischelt Fräulein Klacksmann zu Frau Pinselbrenner: »So bohr ich denn in dies verruchte Weib mein Schwert!« Und sie zischelt es deutlich, sauber artikuliert, schön laut, damit die andern Leute auch etwas davon haben. Warum sie das tut, ist nicht ganz klar. So viele schwerhörige Begleiterinnen kann es nicht geben. Es muß wohl so sein, dass manche Leute nicht so richtig zuhören können. So wie andre maulfaul sind, so sind sie ohrenfaul. Und da haben sie sich denn ein Privat-Theater ins Theater mitgebracht. Und das Privat-Theater sagt alles noch mal.
»Sieht Ihre Schwiegermutter vielleicht aus wie ein Edamer Käse?« fragt der Komiker. Ungeheure Heiterkeit. Aber deutlich, klar und deutlich mit allen ss und rrs, höre ich neben mir: »Sieht Ihre Schwiegermutter vielleicht aus wie ein Edamer Käse?« Und dann erst lacht die Frau Pinselbrenner – denn
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