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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Bewegung, und was er einmal in einer Posse zu sagen hatte, könnte sein Wahlspruch sein: »Nehmen Sie nur! Ich habe davon vierhundert Stück.« Er hat von allem vierhundert Stück, auch von jeder Gemütsbewegung. Er muß, dem Akrobaten gleich, immer trippeln, sonst fällt er von der Kugel, Ruhe ist Tod, Stillstand Verderben. Da bewegt er sich lieber.
    Ein Teil seiner Komik liegt darin, dass er die Glaswände der Würde, die um jeden Menschen enger oder weiter aufgerichtet sind, unbekümmert durchbricht: für ihn gibts das nicht, er sieht sie nicht einmal. Wenn die Wände klirrend zu Boden krachen, und der Angepackte den Eindringling betroffen anstarrt, fuchtelt er mit Händen und Füßen, und die Hörer lachen, weil es immer Spaß macht, dergleichen zu sehen. Der Wallburgsche Spießer, durch Konversationslexikon, etwas Radio und viel Zeitung genauso weit aufgeklärt, wie das fürs Geschäft der Andern notwendig ist, geht ran, respektiert keine Würde und böte auch noch einem Shakespearschen König eilig und gutmütig eine Zigarre an.
    Denn gutmütig ist er. Im Grunde schüchtern, wird er leicht frech – das soll in Deutschland vorkommen, niemand war ja feiger als der Selige aus Doorn, und daher auch dessen große Schnauze. Wallburg ist häufig sein getreuer Untertan, forsch, maßlos beschäftigt und immer hinter irgend etwas her. Nur hat er – im Gegensatz zu dem Herminerich – Herz.
    Und ist daher kein hoffnungsloser Spießer. Ob er wirklich dem König im Macbeth eine Zigarre reichte? Vielleicht wendete er sich an das Hofmarschallamt, aus Respekt, aus irgendeinem vagen Gefühl für Größe. Das ist denkbar. Wie man sich ja überhaupt diesen Komiker zum Beispiel an einem Grab denken könnte, er weinte wirklich, er mag Kinder gern, er hat eine dickliche, weiche Hand, sein Fett wackelt gutmütig, und wer ihm nicht grade in Geschäften im Wege steht, Dem ist er hold gesinnt Eine Spur kesser: und er wäre ein idealer Wendriner.
    So aber hopst er über die Bühnen, verhapselt, verhaspelt, verhapselt sich, ververspricht sich, »Tante Emmy hat mir aber doch selber gesagt, sie paßt aufs Kind auf, wenn das Kind in die Badewanne fällt, wer läßt denn eine Badewanne ohne Aufsicht… ‘n Augenblick mäh! ‘s Telefong klingelt! Marie! Marie! Warum geht denn keiner…!«
    Man hats nicht leicht in den Stürmen des menschlichen Lebens. Auf den weißen Wogenkämmen aber tanzt der Dicke, ein Badeengel aus Celluloid.
    1927

Der Bühnendiener
    Nicht der, der die Proben ansagt, auf Fragen falsche Antworten gibt, sich über nichts mehr wundert und überhaupt den Philosophen macht – den nennt man Theaterdiener, und das ist wieder ein andres Kapitel. Er ist der unbestechlichste Kritiker, den das Theater hat: er weiß wirklich Bescheid. Ich meine die Diener auf der Bühne.
    Früher fingen ja alle Possen und Schwänke so an, dass das Stubenmädchen Lisette mit dem Staubpuschel in der Hand die Möbel abpuschelte, mit seidnen Strümpfen, kokettem Häubchen und vielen Blicken ins Parkett. Jean, der Diener, kam hinzu, und sie hatten einen Schwatz. »Nein, wie spät die Herrschaft gestern abend wieder nach Hause gekommen ist. Nicht doch –!« Denn Jean, der Genießer, hat sie in die Schürze gekniffen, und sie schämt sich, bekommt aber doch ihren Bühnenkuß. Da klingelt es, und herein tritt eine der Hauptpersonen des Stückes, die augenrollend und gewichtigen Schrittes das theatralische Vorgeplänkel von der Bühne fegt. Los gehts.
    Seit Jahren sammle ich Bühnendiener. Und bin immer wieder erstaunt, was es da alles gibt.
    Solange die Welt steht, hat sich noch keine Dienerschaft in irgendeinem Hause so benommen, wie es allabendlich auf den deutschen Bühnen der Bühnendiener tut. Es gäbe auch gar keine Herrschaft, die sich das gefallen ließe.
    Die Stubenmädchen kneifen sie ja nun nicht mehr, denn nach einem merkwürdigen Brauch werden solche Rollen oft mit jungen Leuten besetzt, die ihrem Habitus nach eher mit dem Herrn des Hauses ein Verhältnis anzuknüpfen nicht abgeneigt wären. Spitz und geziert rauscht der Edelkomparse herein. Und dann beginnt jenes seltsame Spiel, das sich auf fast allen Bühnen so eingebürgert hat, dass schon kein Mensch mehr etwas dabei findet. Der Diener macht sich nämlich dauernd über seine Herrschaft lustig.
    Sei es nun, dass er seinen kleinen schauspielerischen Effet haben möchte, sei es, dass er sich langweilt, oder dass er böse ist, eine solche Rolle spielen zu müssen – genug, er macht

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