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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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dauernd hörbar und unhörbar Tz! tz! tz! auf seine Herrschaft. Diener ziehen immer die Augenbrauen hoch, das ist richtig beobachtet –: aber sie tun das im Leben nur dem mäßig gekleideten Besucher gegenüber – seiner eignen Herrschaft kriecht der Diener in die Knopflöcher.
    Diese Bühnendiener zucken die Achseln, werfen den Kopf hintenüber, sind über jeden Befehl schwer entrüstet und chokiert, und über alles, was die Herrschaft tut, spricht, handelt und anordnet, mokieren sie sich deutlichst, bis zum zweiten Rang inklusive. Wir Diener sind doch bessere Menschen…
    Und wenn schon abgegangen sein muß, wenn schon ein Glas Wasser, ein Wagen, Herr X. herbeigeholt werden muß: dann gibt es einen Abgang, an dem ich immer viel größere Freude habe als an allen Auftritten der großen Herren. Der Diener hört, sagt beflissen: »Sehr wohl!«, aber doch mit jener Nuance im Ton, die einen gescheiten Diener von einer leider irrsinnigen Herrschaft trennt, geht, geht und hört gar nicht auf zu gehen. An der Tür tut er dann das, was merkwürdigerweise fast alle Schauspieler, und besonders die kleinen, immer tun: er sieht noch einmal unendlich sehnsüchtig, klebend und hangend über die Bühne ins Publikum. Er kann den Blick nicht von dir wenden…
    Nur der selige Paulig hat das nicht, weil er zuviel mit seinen Zungen zu schnalzen hatte. Und auch die treuen Diener ihres Herrn, Gottowt, Graetz, Haskel und Guido Herzfeld und andre gute Charakterspieler haben die gestreifte Dienerjacke mit anderm ausgefüllt.
    Wenn Sie das nächste Mal ins Theater gehen: achten Sie auf den Bühnendiener. Ich, wann ich so einen hätt, ich tät ihm sofort heraußerschmeißen.
    1922

Otto Reutter
    Ein schlecht rasierter Mann mit Stilaugen, der aussieht wie ein Droschkenkutscher, betritt in einem unmöglichen Frack und ausgelatschten Stiefeln das Podium. Er guckt dämlich ins Publikum und hebt ganz leise, so für sich hin, zu singen an.
    Diese Leichtigkeit ist unbeschreiblich. Es ist gar nicht einmal alles so ungeheuer witzig, was er singt, das kann es wohl auch nicht, denn er singt da gerade das zweitausendvierhundertachtundzwanzigste Couplet seines Lebens, und so viele gute gibt es nicht: aber dieser Fettbauch hat eine Grazie, die immer wieder hinreißt.
    Die Pointen fallen ganz leise, wie Schnee bei Windstille an einem stillen Winterabend. Von den politischen will ich gar nichts sagen. Der Mann hat im Kriege geradezu furchtbare Monstrositäten an Siegesgewißheit von sich gegeben – so die typische Bierbankseligkeit des Hurras, die zu gar nichts verpflichtete, bei der schon das Mitbrüllen genügte. Und wenn er heute politisch wird, dann sei Gott davor. Nicht, weil mir die Richtung nicht paßt – sondern weil die Texte verlogen sind.
    Diese Pille vorweggenommen: Welch ein Künstler –! Alles geht aus dem leichtesten Handgelenk, er schwitzt nicht, er brüllt nicht, er haucht seine Pointen in die Luft, und alles liegt auf dem Bauch.
    Ein Refrain immer besser als der andre – wie muß dieses merkwürdige Gehirn arbeiten, dass es zu jeder lustigen Endzeile immer noch eine neue Situation erfindet. Und was für Situationen!
    Ein Refrain hieß: »In fünfzig Jahren ist alles vorbei!« Heiliger Fontäne, hättest du eine Freude gehabt –! Die Melodie blieb auf »vorbei« in der Terz hängen – erst das Klavier endete sie, und er stand da und machte ein dummes Gesicht. Und sah aus wie ein Kuhbauer und entzückte und charmierte durch seine Grazie. Wenn dich der Zahnarzt, sang er, an einem Zahn durchs Zimmer schleift, und es will gar nimmer enden – »dann mach dir nichts aus der Schweinerei, denn in fünfzig Jahren ist alles vorbei…!«
    Und dann ein Lied, meisterhaft, in total besoffenem, von nichts ahnendem Tonfall gesungen: »Ick wunder mir über jahnischt mehr –!« Abends käme er nach Hause, sang er, und da –
Da steht vor meine Kommode ‘n Mann –
Der sagte: ›Sie! Fassen Se mal mit an!
Alleene is mir det Ding zu schwer …‹
Ick wundre mir über jahnischt mehr –
     
    Und dazu ein Mondgesicht, unbeteiligt, mild leuchtend durch die Wolken – was soll man dazu sagen?
    Die Leute sagen auch gar nichts, sondern liegen unter dem Tisch, und wenn sie wieder hochkommen, dann verbeugt sich da oben ein dicker und bescheidener Mann, der gar nichts von sich her macht, obgleich er ein so großer Künstler ist.
    1921

Massary und Roberts
    In einem Tal bei armen Hirten erschien mit jedem jungen Jahr, sobald die ersten Austern schwirrten, ein

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