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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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alten Mütterchen benachrichtigt, das hat noch immer gezogen. Oh, er kennt sein Metier, der Hauptmann Kernbeißer! Nicht umsonst grüßt von der Wand das Räuberdiplom von der großen Ausstellung zu Bern 1829. »Für Räuberei und verwandte Tätigkeiten dem hochverdienten N. Kernbeißer.« Er warf noch einen finstern Blick auf die Opfer und ging.
    Und kaum war er heraus, so stellte sich Kurlbaum hinter einen Stuhl und begann: »Aufgemerkt, nun eben also… Die Räuber zerfallen in drei Klassen. Erstens in die …«
    Im Salatgarten steht groß und gelblich der Mond; aus dem blauen Dunkel ertönen Stimmen; »Eichel sticht«, sagt einer; Karten klatschen, und die Grillen zirpen, als seien sie allein auf der Welt. Gitarren erwachen, weit im Dorf singt eine kleine Frauenstimme ein Lied, und der Herr Oberlehrer zitiert die »Räuber« und den gesamten Schiller. Miß Lapsley spricht in der Ecke ihr Abendchorälchen. Der Schwede sitzt auf einem Stuhl, läßt die langen Arme hängen und schläft.
    Abends um halb elf saßen die Räuber um den Stammtisch. Die Briefe waren auf der Post; man schien keinen üblen Fang gemacht zu haben. Sie sangen und lachten. Da aber nahte das Unheil.
    Durch die Tür dröhnte der Herr Gendarm herein. Ein kleiner dicker Mann in grüner Uniform, mit einem mächtigen weißen Lederband. Mit barscher Stimme verlangte er am Schanktisch einen Korn. Dann lehnte er sich behaglich an den Schanktisch und sagte:
    »Meine Herren: die Scheine!« –
    Herrgott: die Räubererlaubnisscheine! Alle kramten gehorsam in ihren Brieftaschen. Sie wiesen die gestempelten Papiere vor, kraft deren sie im ganzen Herzogtum (bis auf Widerruf) räubern durften. Der Herr Gendarm sah gar nicht hin. Er kippte einen zweiten Korn, stöhnte befriedigt und wischte sich den Schnauzbart. Und merkte erst auf, als der Zundelfrieder, feuerrot im Gesicht, aufstand und stotterte: »Ich… ich habe keinen Schein!«
    »Ih, sieh mal an!« sagte der Herr Gendarm, »keinen Schein! Und das räubert hier so unbefugt herum! Drei Mark Strafe, mein Lieber! Ohne Schein, es ist ja kaum zu glauben ist es ja kaum –!« Und wandte sich zum Gehen. An der Tür drehte er sich noch einmal zurück. »Die drei Gefangenen von heute nachmittag gelten natürlich nicht. Das war wieder am Buchenplatz. Könnt ihr denn nicht lesen? Da steht groß und breit auf der Tafel: ›An dieser Stelle ist das Räubern verboten.‹ Die Leute sind freizulassen.« Klapp – die Tür war zu.
    Die ganze Freude war zum Teufel. Sie wußten es ja alle, dass der Buchenplatz eine richtige Räuberfalle war. Immer stand da so ein verdammter Kerl und paßte einem auf, wenn man mal über die erlaubten Grenzen räuberte. Und die beiden Korns hatte er auch nicht bezahlt.
    Gut: man ließ die Gefangenen los. Nickel ging herauf und sagte es ihnen. Und weil schließlich nun doch wieder alle vergnügt wurden – denn der Schwede gab Freipunsch, und die Miß stiftete zwanzig Pfund in die Räuberpensionskasse –, beschloß man, sich photographieren zu lassen. Kurlbaum war begeistert: er wollte die hoffentlich wohlgelingende Daguerreotypie über sein Bett hängen. Man bildete eine Gruppe. In der Mitte Kernbeißer: die Rechte zierlich und doch kraftvoll auf einen Tisch gestützt, die Linke in der Hüfte, stand er da. Rechts und links um ihn die Räuber. Die vordere Reihe gelagert; einer hielt eine Tafel: »Zur Erinnerung an die mißglückte Räuberei im Juli 1835.« Einer ritt auf einer Tonne. »§ 11« stand darauf. Der Photograph richtete noch die Köpfe und die Flinten, die etwa über den Rand des Bildes guckten; die Gefangenen wurden im Vordergrund plaziert und das bengalische Licht entzündet. Der Oberlehrer räusperte sich und zog die Röllchen fester; der Schwede sagte sein kurzes, knarrendes Wort; als das Blitzlicht aufflammte, sank Miß Lapsley dem Schweden schämig an die Brust, indes sie neckisch zu Nickel herüberfächelte; die Nachtigallen schluchzten, der Mond stand jetzt weiß und klar zwischen den Bäumen, und die grünen und roten Flammen der Streichhölzer färbten die schöne Gruppe zu einem rührenden, deutschen Finale.
    1915

Chaplin in Kopenhagen
    Die dänische Fähre rauschte davon, und die Eisenbahnwagen und ich – wir machten ein ziemlich dummes Gesicht, weil wir nicht wußten, wie uns das bekommen würde. Vor Warnemünde die Wellenbrecher sahen wir gar nicht an – welch ein bezügliches Wort…! Aber nun befahl der Kapitän den Kolben, zu stampfen, und die langen D-Zug-Wagen

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