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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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heute meine gute Gacke nicht anhabe. Der Papagei, der Gakob, hat sie mir geruiniert.« – »Da wollen wir ins Eßzimmer gehen«, sprach ich beklommen. »Du wirst Hunger haben, Onkel Erich!« Onkel Erich sah den Theo an, Theo sah den Onkel an. »Ich weiß nicht …« sagte der Onkel, während wir ins Zimmer gingen, »ich weiß nicht … euer Junge spricht so merkwürdig!« – »Er ist wohl so aufgeregt, vor Freude«, sagte ich. »Er fragt schon den ganzen Tag, wann denn der Onkel kommt!« Nun gibt es keinen Menschen auf der Welt, der nicht stolz ist, wenn ihn ein Hund wieder erkennt, oder wenn sich andere Leute, wie sie sagen, darauf gefreut haben, dass er gekommen ist. Dergleichen hebt das Selbstbewußtsein. »So, so …« sagte der Onkel. »Nun … das ist aber mal hübsch.« Theo machte abermalen den Mund auf, ich sah ihn an, es half nichts. Er sprach. »Wir haben heute in der Schule einen großen Gux gemacht. Da ist einer, der hat eine Guchhe-Nase, und dem haben wir Guckpulver in den Hals gestreut, und da hat er sich so geguckt, bis er nicht mehr gapsen konnte! Ga.« Nicht umsonst bezeugt mir meine Qualifikation zum Vizefeldgefreiten der Reserve eine rasche Entschlußkraft. »Theochen!« sagte ich. »Komm mal mit Papa raus – da ist noch was zu erledigen, wobei du mir helfen mußt!« Meine Frau sandte einen blitzschnellen, flehenden Blick herüber, der Onkel einen erstaunten – dann schritten wir beide, Vater und Sohn, selbander hinaus.
    »Dir ist nicht gut!« sagte ich draußen. »Du wirst jetzt hier auf deiner Stube essen, und wenn der Onkel weg ist, dann kriegst du eine Abreibung, von der noch lange Zeiten singen und sagen werden! Du Lausejunge!« Theo bewegte die Worte des Vaters in seinem Herzen und sprach also: »‘ck ha ja jahnischt jemacht! Du hast gesacht …« – Und da schloß ich die Tür ab. Und hatte ein langes Verhör zu bestehen … »Merkwürdig«, sagte der Onkel. »Ich hatte immer geglaubt, du hättest die Gesundheit von deinem Vater selig geerbt … aber das Kind scheint nicht ganz in Ordnung. Gleich wird es krank, vor lauter Freude und Aufregung – und dann spricht es so komisch … Hat es denn einen Sprachfehler?« – »Es hat keinen Sprachfehler, lieber Onkel«, sagte ich milde und schob ihm den Marmeladentopf hin. Und wenn der Onkel Marmelade sieht, dann hört er nichts mehr und ist glücklich und zufrieden, und wenn er den Topf bis auf den Grund geleert hat, dann sagt er: »Zu süß!« und sieht sich nach einem neuen um. In meinem Kopf aber tanzten die Zahlen.
    Und der Onkel blieb drei Tage in Berlin, und ich sperrte den Knaben Theo immerzu ein. Und wenn sich der Onkel nach ihm erkundigte – in allerreinstem Deutsch, mit herrlich getrübtem A – dann sagte ich, das Kind hätte eine Angina und stecke an. Der Onkel mißverstand den Ausdruck erst … aber dann sah er alles ein und ließ Theochen in Frieden.
    Aber am dritten Tag, als ich ins Finanzamt mußte, um darzutun, dass ich gar nichts verdiente, sondern ein ganz normaler Kaufmann sei –: da gab es zu Hause ein Malheur, und als ich zurückkam, da war es schon geschehen.
    Der Onkel packte. »Was ist …?« fragte ich verdattert. »Du willst fort?« Meine Frau weinte. »Was ist hier los –?« fragte ich.
    »Keinen Augenblick länger!« rief der Onkel. »Ich komme da nichtsahnend ins Kinderzimmer, da sitzt Theo, da sitzt dein Sohn Theo am Tisch und ist gar nicht krank und hat auch keine … also hat auch keine Halsentzündung, sondern hat Besuch und … was hat er gesagt?« – Der Onkel sah meine Frau an, ich sah meine Frau an. »Ich … ich weiß es nicht mehr …« sagte sie stockend. – »Theo!« rief ich. »Komm mal her!«
    »Was hast du zu deinem Freund gesagt, als Onkel Erich ins Zimmer gekommen ist?« – Theochen bockte. – »Na?« sagte ich. »Wird’s bald?« – »Soll ich’s sagen?« fragte er. »Natürlich sollst du’s sagen!« Und da sprach Theochen und wechselte dabei vierzehnmal die Stimme:
    »Ick ha jesacht: Aus det Jeklöhne von den Olln mach ick mia jahnischt – det is ja nich jefehrlich! Jestern jabs Jans, und den Onkel nehm ick noch alle Tahre uff de Jabel! Det will n jebillter Mann sein? Un wenn ick auch jefeffat den Hintern vollkrieje: der Mann spricht ja Dialekt!«
    Und da nahm der Onkel seine Koffer und riß die Korridortür auf und stieß mich und meine Frau fort und nahm sich einen Wagen und fuhr zurück nach Hannover, wo sie das reine Deutsch sprechen. Und das Ratschen eines entzweigerissenen

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