Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
Solarium sowie eine gesündere Ernährungsweise entfernt. Heino dagegen bräuchte mindestens die Hilfe eines begnadeten Schönheitschirurgen. Eben. Das ist der Unterschied. Sich von seiner Schokoladenseite zeigen: Ja. Dreist lügen: Nein. Deshalb weine ich Michael und Thomas auch keine Träne hinterher, obwohl ich kurz wehmütig an die stahlblauen Augen des Letzteren zurückdenke. Aber das waren ja vermutlich sowieso nicht seine eigenen.
Da waren es also nur noch vier. Lars fragt neugierig nach, und wir verstricken uns in einen ziemlich amüsanten E-Mail-Austausch, in dem er mir seinerseits von ein paar verkorksten Dates erzählt. Nach einigem Hin und Her fragt er mich, ob ich Lust habe, mich mit ihm zu treffen. Und ob ich Lust habe!
Am Montagabend mache ich mich gleich nach Feierabend auf den Weg ins Schanzenviertel, wo ich mit Lars im Saal II verabredet bin, einem etwas schrammeligen Laden mit hohen Decken, blau-weiß gekachelten Wänden und wackeligem, marodem Holzmobiliar. Kaum habe ich die Tür geöffnet, werde ich von einem zerzausten Kellner freundlich begrüßt. Sofort spüre ich, wie sich mein Körper entspannt. Dies ist definitiv ein besserer Treffpunkt für ein erstes Date als das vornehme Fischereihafen. Nicht dass ich etwas gegen schicke Restaurants hätte, aber hier ist es einfach ungezwungener. Außerdem fühle ich mich in Jeans und Top tatsächlich am wohlsten. Suchend sehe ich mich um und entdecke Lars sofort an einem Zweierti sch am Fenster. Eine ungeheure Erleichterung macht sic h in mir breit, einfach nur, weil er genauso aussieht wie auf seinem Foto. Wie genügsam man doch wird. Als er mich sieht, springt er auf. Schnell lasse ich meinen Blick über seine Turnschuhe, die ausgeblichene Jeans, über sein hellgrünes T-Shirt bis zu seinem Gesicht gleiten, das ein Drei-Tage-Bart ziert. Mittelgroß, mittelschlank, mittelattraktiv, fälle ich mein Urteil und schäme mich ein bisschen dafür. Aber als ich bei seinen mittelblauen Augen ankomme, bemerke ich, dass er mich ebenfalls von oben bis unten mustert. Da bin ich ja froh, dass ich nicht als Einzige so oberflächlich bin. Ich lächele und strecke ihm meine Hand entgegen. Auch wenn Lars mich jetzt nicht gerade aus den Latschen haut, so ist er mir zumindest auf Anhieb sympathisch. Und gänzlich unattraktiv ist er auch nicht.
»Hallo, ich bin Franzi.« Er greift nach meiner Hand und hält sie fest.
»Ich bin Lars«, sagt er, den Blick noch immer auf mich geheftet. Er kommt einen halben Schritt auf mich zu, seine Augen scheinen sich quasi an meinen festzusaugen. Nach vielleicht dreißig Sekunden wird mir die Sache unheimlich. Mindestens eine unserer beiden Hände, die noch immer ineinander liegen, beginnt jetzt ziemlich zu nässen, und egal, ob es sich dabei um seine oder meine eigene handelt, ist mir das doch äußerst unangenehm. Lars starrt mir weiter tief in die Augen, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. Unwillkürlich werden meine Augen staubtrocken. Wild zwinkernd, um sie wieder zu befeuchten, entwinde ich meine Hand seinem Griff und lache verlegen, während ich sie unauffällig an meinem Hosenbein trocken wische. Endlich löst sich auch Lars aus seiner merkwürdigen Starre und sieht plötzlich wieder ganz entspannt und – mittelmäßig aus. Pfui, Franzi, jetzt hör aber endlich auf damit, hier so vorschnell über den armen Kerl zu urteilen, den du erst vor drei Minuten kennengelernt hast, von denen die letzte ja nun alles andere als durchschnittlich war.
»Wollen wir uns setzen?«, frage ich, während ich mich auf dem freien Stuhl niederlasse, der seinem gegenübersteht.
»Nein, ich denke, das ist nicht nötig.« Er schaut auf mich herunter und schüttelt mit einem Ausdruck des Bedauerns den Kopf.
»Nicht?«
»Nein.«
»Aber warum denn nicht?«
»Weil aus uns nichts werden wird.«
»Aha?« Verwirrt sehe ich zu ihm auf.
»Weißt du, es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die ersten zwanzig Sekunden darüber entscheiden, ob man sich in jemanden verlieben kann oder nicht. Man weiß es also fast sofort. Und bei dir«, er hebt entschuldigend die Schultern, »sorry, aber es funkt einfach nicht.«
»Was du nicht sagst.«
»Also, bei mir jedenfalls nicht«, schiebt er hinterher und sieht jetzt richtig mitleidig aus. »Tut mir leid, falls es bei dir anders ist. Aber dazu gehören nun einmal zwei.« Jetzt legt er mir auch noch kumpelhaft die Hand auf die Schulter. »Kopf hoch. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.« Kopf hoch?
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