Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)

Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)

Titel: Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Voosen
Vom Netzwerk:
strahlt er von eine m Ohr zum anderen. Süß.
    »Ich freu mich total.«
    »Ja«, nicke ich und bin selbst überrascht. »Ich mich auch.«
    »Also, hallo erst mal.« Damit macht er einen Schritt auf mich zu, ein bisschen unsicher, aber auch herzlich, legt einen Arm um mich und küsst mich auf beide Wangen, was mir überhaupt nicht unnatürlich vorkommt. Dann sieht er mich an, seine schokoladenfarbigen Augen dicht vor meinen, und sagt: »Schön, dich kennenzulernen.« Leider hat er den schlimmsten Mundgeruch, den man sich vorstellen kann.
    Ein bisschen angeschlagen lasse ich mich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen, und das ist zum einen seinem sauren Atem geschuldet, zum anderen aber auch der maßlosen Enttäuschung, die mich plötzlich überfällt. Schon wieder eine Niete. Und dabei waren die ersten zwanzig Sekunden doch so überaus positiv verlaufen. Ja, ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen, zu behaupten, dass es gefunkt hat. Aber so groß ist die Anziehung dann doch nicht, dass ich über den Gestank hinwegsehen beziehungsweise hinwegriechen kann, der in einem jetzt permanenten Strom aus dem Mund meines Gegenübers zu quellen scheint, während der mich weiterhin arglos anlächelt und munter beginnt drauflos zu plaudern. Was natürlich zwangsläufig von weiterem Ausatmen begleitet wird.
    »Wow, also, das war jetzt wirklich mal ein erfreulicher erster Eindruck«, sagt Kai, nachdem wir bei der Kellnerin zwei Apfelschorlen bestellt haben, und beugt sich über den Tisch zu mir herüber. Ich muss ihm recht geben. Der erste Eindruck war tatsächlich super. Es war der zweite, der leider alles vermasselt hat. »Ich gebe zu, ich bin schon ein alter Hase im Online-Dating«, fährt er arglos fort, während ich mich so unauffällig wie möglich auf meinem Stuhl nach hinten lehne. Wie kann ein Mensch so riechen? Als hätte er sich seit Wochen nur noch von Kaffee und Zigaretten ernährt. Und vielleicht noch von ranziger Milch. »Aber so sympathisch wie du war mir auf Anhieb noch keine. Na ja …« Er lacht. O Gott. »… das versteht sich ja eigentlich von selbst. Sonst säße ich vermutlich gar nicht hier. Nicht wahr?«
    »Hm«, nicke ich. O Gott, der arme Mann. Er muss irgendeine schlimme Magenkrankheit haben, denn dieser Geruch ist ganz sicher nicht normal. Wieso sagt ihm das niemand? Hat er denn keine Freunde? Arbeitskollegen? Oder wenigstens eine Mutter wie meine, die ihm nach dem Begrüßungsküsschen mit verkniffenem Lächeln ein tic tac reicht?
    »Also, jedenfalls freue ich mich total, dass das geklappt hat. Aber eines möchte ich gleich zu Anfang hinter mich bringen. Ich muss dir nämlich etwas gestehen. Ich … war nicht ganz aufrichtig zu dir.« Reumütig sieht er mich an, während ich gerade die rettende Idee hatte und hektisch nach einem Kaugummi krame.
    »Aha?«
    »Ja. Und ich weiß ja, dass dir Aufrichtigkeit sehr wichtig ist, du hattest von diesem anderen Mann geschrieben, der wegen seines Alters gelogen hat.«
    »Ja, stimmt.« Ich stoße auf den Grund meiner Tasche vor.
    »Aber ich wollte dir das lieber persönlich sagen, nicht per E-Mail. Ich hoffe, das ist in Ordnung.«
    »Na klar.« Ah, da, endlich. Ich ziehe ein etwas zerknautschtes Päckchen Doublemint hervor, fummele einen Streifen heraus und halte ihm freundlich lächelnd die Packung hin. »Auch eins?« Er sieht erst den Kaugummi und dann mich an und … Nein! Bitte nicht! Er schüttelt den Kopf.
    »Nein danke.«
    »Okay.« Ergeben lasse ich es zurück in meine Handtasche fallen. Wahrscheinlich hätte es eh nicht viel genützt. Der Mann könnte eine Familienpackung Mundspülung austrinken und würde immer noch nach Verwesung riechen. Im Rhythmus seines Ein- und Ausatmens schwenkt mein Mitgefühl zwischen ihm und mir selbst hin und her. Er atmet ein: Der arme Kerl, der wird nie eine Frau finden. Er atmet aus: O Gott, ich will hier weg. Ein: Wahrscheinlich ist er ernsthaft krank, vielleicht hat er Magengeschwüre, ich muss es ihm unbedingt … Aus: Mir egal. Lydia, ruf endlich an!
    »Also, wo war ich? Ach ja, das Geständnis. Also, kurz und schmerzlos: Ich habe einen Sohn. Er ist fünf.« Verblüfft sehe ich ihn an. Eine Frau hat ihn tatsächlich so nah an sich rangelassen, dass er sie begatten konnte? Das wundert mich jetzt. Lässt aber auch hoffen, dass er diesen Mundgeruch noch nicht sein Leben lang hat. Und möglicherweise davon geheilt werden kann. Nicht dass ich dann noch Interesse an ihm gehabt hätte, nein, die Kuh ist in den Brunnen

Weitere Kostenlose Bücher