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Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See

Titel: Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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grauenvoll.
    »Und wenn die Flaute kommt, dann nageln die Matrosen gerne mal eine Katze an den Mast – als Opfer an die Winde. Oder wenn der Proviant knapp wird, dann braten sie auch die Schiffskatze und essen sie auf.
    Fallut tirer la courte paille

    Pour savoir qui, djemalon lonla lura,
    Pour savoir qui serait mangé.
    Das hatten sie gesungen, ja, ja. Dass sie Hölzchen zogen, um zu bestimmen, wen sie aufessen würden.«
    Ich bebte. Alles an mir bebte.
    »Und bei Sturm, Zwerg, türmen sich riesige Wellen auf, die alles verschlingen.«
    »Ich weiß, mich hat schon mal eine verschlungen«, konnte ich nur noch mit ersterbender Stimme sagen.
    Das gelbgrüne Auge bekam einen scharfen Ausdruck.
    »Hat sie? Und dann?«
    »Dann bin ich angespült worden.«
    »Erzähl!«
    Das war ein Befehl, und natürlich befolgte ich ihn. Corsair hörte mir schweigend und völlig unbeweglich zu. Als ich geendet hatte, schwieg er noch im mer. Ich ließ meinen Blick schweifen, um vielleicht einen Weg zu finden, ihm zu entkommen, aber sein voluminöser Leib versperrte mir jede Möglichkeit.
    »Mhm«, sagte er plötzlich. »Habe ich das richtig verstanden – du bist von einer Möwe entführt worden, dein Haus ist bei einem Sturm ins Meer gekippt? Du bist von einer Monsterwelle erfasst worden, hast etliche Tage alleine an einem Strand ge lebt, bist mit der Eisenbahn hierher gefahren und willst nun nach Amerika?«
    »Ja, so ungefähr, Corsair.«
    »Und trotzdem bist du noch im mer ein solcher Schisserkater?«
    »Ja, Corsair. Ich habe Angst vor Möwen und Ratten und Schiffen und alles.«

    Der Kater vor mir ließ sich nieder, zog seine Vorderpfoten unter sich und bildete das, was man ge meinhin ein gemütliches Müffchen nannte. Die Wirkung war erstaunlich. Er strahlte nichts Bedrohliches aus, sondern schien ein gemütlicher alter Herr zu sein, der sich seine Knochen gerne am Kamin wärmen ließ und von vergangenen Heldentaten träumte.
    »Pantoufle, du bist ein komischer Zwerg. Entspann dich mal ein bisschen, ich will dir etwas erzählen.«
    Entspannen? Bei den Themen, die er draufhatte? Na gut, ich gab mir wenigstens den Anschein eines gelassenen Katers, indem ich dieselbe Haltung einnahm wie er.
    »Pantoufle«, grollte Corsair leise, und es klang ganz ähnlich wie ein Schnurren. »Pantoufle, du bist ein Schisserkater. Aber ein verdammt zäher. Du hast in deinem kurzen Leben schon mehr Schrecken erlebt als manche andere Feld-, Wald- und Seekatze. Und trotzdem hast du überlebt und machst dich jetzt sogar auf eine große Reise.«
    »Ja – äh … meinst du?«
    »Ja, meine ich. Und darum will ich dir eines raten, Kleiner. Deine Angst ist immer nur so groß, wie du sie zulässt. Wenn ich dir von monst rösen Ratten erzähle, und du stellst sie dir anschließend so groß vor, wie du selbst bist, dann wird jedes Rascheln einer Ratte in den Vorräten eine Panik verursachen.«
    »Ja, aber – sind die Ratten denn nicht so groß, wie du gesagt hast?«
    »Die Ratten auf den Schiffen sind fett, aber nicht größer als andere. Meine Worte haben sie größer ge macht,
und du hast Angst vor den Bildern gehabt, die du dir von ihnen gemacht hast.«
    Das war ein ungewöhnlicher Gedanke. Ich drehte und wendete ihn eine Zeit lang und fand, dass ich noch ein paar Fragen stellen musste. Corsair hatte sein Auge geschlossen und dünstete Wohl geson nen heit aus. Vermutlich war er bereit, sie mir zu beantworten.
    »Corsair?«
    Sein ausgefranstes Ohr drehte sich mir zu.
    »Die Kraken …?
    »Kom men mit ih ren Fangarmen nicht auf das Deck eines Dampfers.«
    »Und die Katzenopfer?«
    »Dampfschiffe haben keine Masten.«
    »Du hast das erzählt, um mir ei nen Schrecken einzujagen.«
    »Ist mir doch gelungen, oder?«
    »Ja. Aber jetzt habe ich nicht mehr ganz so viel Angst. Nur vor Möwen. Die gibt es doch auch auf dem Schiff?«
    »Ja. Aber wie groß muss eine Möwe werden, damit sie dich heute noch hochheben und wegschleppen kann, Pantoufle?«
    »Ziemlich groß, nicht?«
    »Ziemlich. Etwa so groß wie ein Seeadler.« Corsairs Auge öffnete sich, und er grinste. »Die gibt es in Amerika.«
    »Aha!«, sagte ich.

Blinde Passagiere
    Janed und ich wachten auf, als die Sonne schon durch die Ritzen der Fensterläden blinzelte. Die Nacht war für uns beide lang gewesen. Sie hatte mit den Matelots und den Gästen der Kneipe gefeiert, und ich hatte eine höchst informative Zeit mit Corsair verbracht, der sich, nachdem er seine barsche Vorführung beendet hatte, als

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