Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See
Besatzung abgesprungen, die lieber mit der Gigantic fahren wollten.«
»Na also. Ihr kommt schon noch in das gelobte Land. Können Sie lesen, Mädchen?«
»Ja, sicher.«
Der Wirt kramte in einer Schublade herum und drückte ihr dann ein zerfleddertes Buch in die Hand.
»Eine Fi bel, aus der Sie die ame rika nische Sprache lernen können. Kann ganz nütz lich sein, wenn Sie dort Arbeit suchen.«
»Danke, das ist aber nett von Ihnen. Ein paar Brocken Englisch kann ich zwar, aber das wird mir viel helfen. Die Matelots meinen, wir liefen mit der Abendtide aus und ich müsse jetzt schleunigst an Bord gehen. Darum muss ich mich von Ihnen verabschieden.«
»Dann viel Glück, junge Frau. Und hier ist noch eine Wurst für den Kater. Scheint sich gut mit Corsair verstanden zu haben.«
Ich erlaubte mir, dem Wirt einmal dankend um die Beine zu schnurren, und verabschiedete mich von Corsair, der mir freundlicherweise seine Nase zum Abschied zustreckte. Ich tupfte höflich mit meiner daran.
Dann in den Korb und auf zu neuen Ufern.
Die allerdings be standen zunächst einmal aus einem lauten, von Menschen wim melnden Kai und ei ner schwarzen Wand, höher als zwei Häuser übereinander. Vor uns befand sich ein Loch in dieser Wand, in das ein schmaler Steg führte. Lastträger schleppten allerlei Säcke, Fässer und Bündel dort hinein und verschwanden damit im Dunkeln.
Sollten wir etwa auch dort hinein? Von meinem Korb aus konnte ich nicht viel sehen, aber Janed schien sich auch nicht sicher zu sein. Sie schritt langsam die ganze Länge der schwarzen Wand ab und fand einen zweiten Einschlupf. Der lag jedoch höher, war viel breiter, und eine lange Treppe führte hinauf. Dort, wo sie auf dem Kai endete, stapelten sich Gepäckstücke. Auf der einen Seite abgenutzte Taschen, schäbige Bündel, Kiepen und Körbe, auf der anderen Lederkoffer in allen Größen, die aussahen, als ob sie zum ersten Mal auf Reisen gingen. Neben ihnen stand eine Dame in einem komischen Kleid, wie ich es noch nie gesehen hatte, und auf einem hohen Koffer thronte ein mit Samt bezogener Korb, aus dem es ganz zart nach Katze duftete.
Mhm.
Mein Korb landete auf Janeds Kraxe bei dem schäbigen Gepäck, aber auch sie begutachtete die vornehme Dame. Deren dunkelrotes Gewand saß eng an ihrer Figur, aber ihr Derrière wirkte ausgesprochen ausladend. Auf dem Kopf hatte sie nicht nur viele gelbe Haare, sondern balancierte auch ein üppiges Gebilde mit Vo gelfedern darauf, das aussah, als wäre ein wilder schwarzer Hahn auf ihr gelandet. Mit einer diesem Vogel nicht unähnlich durchdringenden Stimme wünschte sie von
einem betressten Jüngling zu wissen, ob denn Signor Granvoce bereits an Bord gegangen sei. Der Junge versuchte zwar höflich, sein Unwissen zu verbergen, aber die Dame strafte ihn mit der verächtlichen Bemerkung: »Wie, Sie wissen nicht, wer Signor Enrico Granvoce ist? Junger Banause. Er ist der größte Tenor der Welt, und er wollte auf diesem Dampfer nach New York reisen. Dort wird er an der Met rop olitan Ope ra singen. Aber von Kultur haben Sie ja vermutlich auch keine Ahnung!«
Der junge Mann sah aus, als ob er eine pampige Antwort geben wollte, schluckte sie aber sichtbar hinunter, machte nur eine höfliche Verbeugung und verwies die Dame an einen Schiffsoffizier, der eben hinzutrat.
»Madame, gibt es Probleme?«
»Dieser kleine Stoffel von Lakai kann mir kei ne Auskunft geben, ob Signor Granvoce bereits an Bord ist.«
»Der Opernsänger, Madame, ist bereits an Bord, wünscht aber, nicht gestört zu werden. Wenn Sie eine Botschaft für ihn haben, geben Sie sie mir mit. Ich werde dafür sorgen, dass er sie erhält.«
»Ich habe zwar eine Botschaft für ihn, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Ich wer de es ihm selbst sagen, wenn ich ihn treffe. Bringen Sie mein Gepäck in die Erste Klasse.«
»Wenn Sie mir zeigen, welches es ist, und mir sagen, wie Ihr Name lautet, dann wird das umgehend erledigt, Madame.«
»Ich bin Adèle Robichon. Das wird Ihnen sicher einiges sagen!«
»Madame, sicher. Sie sind eine Verwandte des Reeders, nicht wahr?«
»Seine Schwester.«
»Zu Diensten, Madame Robichon. Ich bin der Erste Offizier dieses Schiffes. Mein Name ist Ron Cado.«
Ihre Stimme hatte alles Durchdringende verloren, jetzt gurrte sie wie eine liebeskranke Taube.
»Wie erfreulich, Monsieur Cado. Nun, dann werden wir uns ja beim Dinner treffen.«
Der Offizier verbeugte sich zustimmend, gab dem Pagen Anweisung, ihm mit dem Ge päck zu
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